Arminius the Liberator

 

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FAQs

 

 

Wo fand die VARUS-Schlacht statt?

 

Unendlich viel und ebenso erfolglos ist über diese Frage seit eh und je von einem ganzen Heer von Historikern, Wissenschaftlern, Militärs und Heimatforschern hin und her gerätselt und gestritten worden. Der Ort der Clades varianda blieb nach wie vor nur vage zu vermuten. Natürlich ist damit auch die Richtigkeit des Standorts des von dem Bildhauer Ernst von Bandel erbauten “Hermannsdenkmals” im Teutoburger Wald nahe Detmold neuerdings vielfach angezweifelt worden – ob berechtigt, steht noch dahin.

 

Seit dem Jahr 1987 hat die Diskussion um den richtigen oder falschen Ort wieder neue Nahrung bekommen – hervorgerufen durch eine echte archäologische Sensation:

 

In einer Enge zwischen dem Großen Moor und dem Kalkrieser Berg (157 m) bei Kalkriese im Osnabrücker Land stieß ein britischer Hobby-Archäologe auf geradezu spektakuläre Fundobjekte. Daraufhin setzte die örtliche archäologische Denkmalpflege eine großangelegte Bodenforschung in Gang, die weitere Überraschungen zutage förderte. Es handelte sich zunächst um über 600 Objekte (bis zum Jahr 2000 mehr als 3000 vorwiegend kleinere Fragmente) eindeutig militärischen Charakters: Waffen und Standard-Ausrüstungsgegenstände des römischen Heeres wie Lanzen, Schleuderbleie, Reste von Schutz- und Trutzwaffen, Panzerschließen, Pferdegeschirre, Wagenteile sowie Menschen- und Tierknochen, darunter einMaultierskelett, in großen Mengen. Ferner fand man Pionier-Schanzwerkzeug, Schreibgeräte und chirurgisches Besteck. Noch überraschender waren die Münzfunde, bislang über 700 an der Zahl. Neben Gold- und Silbermünzen, dem “Offiziersgeld”, fand man das übliche kupferne “Soldatengeld” in so großer Dichte wie noch nie zuvor. Handelt es sich hier etwa um die Reste der “Kriegskasse” des VARUS oder der Soldkasse eines Feldzeichenträgers, der die Ersparnisse der Legionen seiner Einheit als deren Vertrauensperson zu verwalten hatte, die aber den plündernden Germanen uninteressant schien? Es befinden sich darunter Stücke, die ganz eindeutig erst während der Statthalterschaft des VARUS in Germanien zwischen dem Jahr 7 und 9 in Gebrauch waren, denn sie tragen als Gegenstempel dessen Signum “VAR”. Eine sogenannte Gegenstempelung erfolgte beim römischen Militär immer anläßlich bestimmter interner Anlässe – wie hier möglicherweise beim Dienstantritt des neuen Statthalters.

 

Von DIO erfahren wir, daß sich VARUS im Jahr 9 im Sommerlager an der Weser aufhielt. Wo aber befand sich dieses Lager? Aus politischen, vorwiegend aber aus militärischen Gründen kommen hierfür Minden/Rehme, Vlotho/Rinteln und Hameln/Kirchohsen in Frage. Aus der jeweiligen geographischen Lage ergibt sich der mutmaßliche Marschweg des Varus zum Rhein und damit der Ort der Niederlage.

 

Auf welcher Wegstrecke der Marsch tatsächlich stattfand, gibt zahlreichen Hypothesen Raum. Ob die Armee in einer nördlichen oder südlichen Kolonne marschierte, ist aus der Schilderung der antiken Autoren nicht ersichtlich; jedenfalls erfolgte der Rückmarsch bis auf jene unheilvolle Abweichung zunächst auf einem der regulären Ost-West-Verbindungswege.

 

Wenn VARUS sein Lager aus den genannten Gründen an der Mittelweser (etwa bei Hameln/Ohsen) gehabt haben sollte, hätte er schon aus logistischen (1) und praktischen Erwägungen die damals sicherste und direktere Straße nach Castra Vetera (Xanten) über das starke Versorgungskastell Aliso an der oberen Lippe in Richtung Paderborn gewählt; dann würde die VARUS-Schlacht wohl tatsächlich im Teutoburger Wald oder schon vorher im Raum ostwärts von Detmold und zuletzt westlich davon stattgefunden haben, und VARUS wäre dort gestorben. Damit stände das Hermannsdenkmal durchaus am richtigen Platz.

 

Hätte er von einem nördlicher gelegenen Lager, etwa von Minden oder Rehme aus, eine der beiden zur Ems führenden Straßen benutzt, so könnte ihn sein Schicksal wohl nördlich des Wiehengebirges bei den großen Mooren ereilt haben. Dann müßten allerdings noch die Marschlager des Drei-Tage-Geschehens ostwärts davon gefunden werden.

 

An der schmalsten Stelle jener Kalkrieser Enge, durch die seit Jahrhunderten ein Fernverkehrsweg zwischen der Mittelweser und dem Niederrhein führte, stieß man überraschend auf umfangreiche Rasensodenmauern, die sich bastionsartig fast einen halben Kilometer lang aus dem Berghang vorschieben, etwa 5 m breit und 2 m hoch sind und nur als Befestigungen gedeutet werden können.

 

Hier hat man es offensichtlich mit sehr geschickt angelegten germanischen Wehrbauten zu tun, von deren überhöhter Hangstellung herab Flankenangriffe auf die lang auseinandergezogenen Marschkolonnen der Legionäre stattfanden. In einem ähnlichen Hinterhalt mag auch nach der Überlieferung des VELLEIUS PATERCULUS der Reiteroberst Vala NUMONIUS bei seinem Ausbruchsversuch mit seinen Schwadronen aufgerieben worden sein.

 

Diese Stelle in der Niewedder Senke am Rande des Großen Moores, die an einen Trichter erinnert, erweist sich als hervorragend geeignet für eine der Geländefallen, mit der einem schwerbewaffnet marschierenden Truppenverband das Ausbrechen aus der Umzingelung so gut wie unmöglich gemacht wurde.

 

Unmittelbar vor den Befestigungen findet sich eine starke Fundverdichtung. Die dort ergrabenen Objekte deuten mit ziemlicher Sicherheit auf eine zeitliche Verbindung mit der großen Schicksalsschlacht oder einem damit zusammenhängenden Ereignis hin. Es wäre jedoch denkbar, daß diese Örtlichkeit ebenso einer der zahlreichen Operationen der GERMANICUS-Kriege 15/16 zuzuordnen ist, etwa im Zusammenhang mit jenen, an denen Aulus CAECINA beteiligt war. So können die Münzen mit dem Gegenstempel “VAR” zwar recht eindeutig den Zeitpunkt der VARUS-Jahre beweisen, doch wurden sie bestimmt nicht sofort nach dem Tod des Statthalters aus dem Verkehr gezogen.

 

Es bleiben daher alle Spekulationen über die unbestreitbaren Kalkrieser Ausgrabungserfolge vorläufig noch problematisch, denn bislang kann es sich nur um Bruchstückhaftes handeln – bestenfalls um Spuren aus den Kämpfen des Jahres 9 und danach.

 

Nach wie vor bleibt die entscheidende und schwierige Frage zu lösen, ob dieser Kampfplatz überhaupt der Dreitageschlacht zuzuordnen ist – und wenn ja -, wo er dann in das Gesamtgeschehen glaubhauft eingegliedert werden kann.

 

Außer Dingen, die für die Germanen praktisch keinen Wert hatten, sind keine völlig unversehrten größeren Teile gefunden worden. Wenn es sich, wie wir nun annehmen können, tatsächlich um die Überreste eines Kampfes zwischen Germanen und Römern handelt, bei dem die Germanen die Oberhand behielten, so läßt sich das nur damit erklären, daß die Sieger die Ausrüstung der Gefallenen gründlich durchgeprüft und verwertet haben und nur das Unbrauchbare liegen ließen.

 

So hat vermutlich auch jener germanische Krieger, der einem gefallenen Feldzeichenträger oder Reiteroffizier die silberne Maske seines Gesichtshelms abnahm, den Silberbelag sauber abgetrennet, die eiserne Maske darunter aber achtlos weggeworfen. Diese Helmmaske ist durch ihre porträthafte und ästhetische Gestaltung der wohl bisher eindrucksvollste und erregendste Fund aus der Ausgrabung von Kalkriese. Angesichts ihrer in sich gekehrten, ernsten Gesichtszüge darf die Frage erlaubt sein, welcher höhere Offizier oder Adlerträger sie getragen haben mag? Ist er vielleicht unter den uns bekannten Unterführern des VARUS oder des GERMANICUS zu suchen?

 

Leider ist der schmale, eherne Mund der Maske stumm, und Name und Schicksal ihres Trägers bleiben wohl für immer in rätselhaftem Dunkel…

 

Ähnlich sensationell ist die Entdeckung einer silberbeschlagenen, mit Edelsteinen besetzten römischen Schwertscheide, die zweifelsohne nur einem hohen Offizier gehört haben kann. Bei solch seltenem Fund drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Wer war der Besitzer dieses wertvollen Stückes? Kennen wir vielleicht sogar seinen Namen?

 

Die Lage der Funde – hier die militärischen Reste einer größeren gemischten römischen Abteilung, dort die germanischen Hangbefestungen – läßt mancher Vermuting Raum: Handelte es sich um fliehende Truppenteile, die sich noch bis hierhin durchschlagen konnten, dann aber aufgehalten und niedergekämpft wurden? War es möglicherweise eine Vorausabteilung, die hier festgehalten und niedergemacht wurde, bevor das Gros herankam? Oder hat diese römische Einheit, deren Überreste nun dem Schweigen der Geschichte entrissen wurden, jene Hangstellungen angegriffen, um dem Haupttrupp den Durchmarsch durch die Enge freizukämpfen?

 

Eines kann mit Bestimmtheit festgestellt werden: Es fanden sich eindeutige Spuren einer Infanterie,- sowie einer Schleuder- und einer Kavallerie-Einheit, ferner von Troßfahrzeugen, Tragetieren und einem Pioniertrupp sowie Hinweise auf Stabs- und Sanitätspersonal. Das völlige Fehlen von Keramik – die bei Lagern in größerem Umfang anzufallen pflegt – ist ein sicheres Indiz dafür, daß es sich hier auf keinen Fall um die Reste eines Militärlagers handeln kann. Die hohe Anzahl von Fibeln für das Sagum, den Kapuzenumhang der Legionäre, und die bis 1996 festgestellte seltene Dichte von rund 2,800 Einzelfunden ist so auffällig, daß der Schluß auf ein umfangreiches Militärereignis naheliegt.

 

Daß dort eine einzige große Schlacht, die VARUS-Schlacht schlechthin – wie vielfach angenommen – stattgefunden hat, ist wenig glaubhaft; denn gerade der in die Länge gezogene “Heerwurm” bot ja erst die Voraussetzung und einzig mögliche Chance für das Gelingen von ARMINs taktischem Plan: stoppen – aufsplittern –einzeln zerschlagen.

 

Ein Angriff auf drei technisch hochgerüstete Elite-Legionen in voller Schlachtordnung, mit Plänklern, tiefgestaffeltem Gros im Zentrum, flankierenden Kavallerieeinheiten, Wurfartillerie, Reserven usw. wäre für die germanischen Bauernkrieger reiner Selbstmord gewesen. So hätte ARMINs gesamtes “Unternehmen VARUS” nur scheitern können, denn auf einen Sieg in einer einzigen großen Schlacht konnte er niemals hoffen. Sein Sieg war nur möglich durch eine zermürbende Guerillataktik bei optimaler Ausnutzung für ihn günstiger Geländeverhältnisse, wie beispielsweise vermittels einer “Todesfalle” zwischen Berg und Moor bei Kalkriese.

 

Bei der Frage: “Wo fand die VARUS-Schlacht statt?” kann es sich dieser zwingenden Logik wegen nur um ein mehrtägiges Kampfgeschehen entlang des Rückweges in Form einer ganzen Reihe von Einzelgefechten gehandelt haben, ob nun in den sumpfigen Tälern des Teutoburger Waldes oder weiter im Norden. Davon sprechen auch ganz eindeutig die römischen Berichte. Dabei ist nicht auszuschließen, daß sich in der Enge von Kalkriese eine Schlußphase der varianischen Katastrophe abgespielt hat oder daß hier fliehende Reste des demoralisierten Heeres ihr Ende fanden, die vielleicht den rettenden Flottenstützpunkt und Truppen-Verladeplatz an der Ems bei Rheine erreichen wollten.

 

Wo aber starb VARUS – hier oder dort? Dieses Problem bewegt zur Zeit heftig nicht nur Archäologen und Historiker, doch kann hierauf trotz aller Beweisversuche vorläufig noch keine endgültige Antwort gegeben werden – wo und wie es denn wirklich gewesen ist: So soll denn hier auch kein neuer Deutungsversuch angestellt werden und die Frage offen bleiben.

 

Die Ergebnisse künftiger, wohl noch Jahre andauernder Ausgabungen in den Räumen mutmaßlicher Fundorte des “Hermannslandes” werden sicherlich weitere interessante Anhaltspunkte liefern und hoffentlich zu neuen Erkenntnissen führen, die helfen, manches noch bestehende Rätsel um dieses so bedeutsame Ereignis zu lösen.*

 

*Bereits 1884 hatte Theodor Mommsen (1870-1903), Prof. der Alten Geschichte in Berlin, den Ort der varianischen Niederlage in dieser Gegend vermutet. An etwa gleicher Fundstelle war seiner Ansicht nach “durch eine auffallend große Anzahl von augustischem Gold-, Silber- und Kupfermünzen – die später nicht vorkommen – [auf] den Nachlaß einer großen aufgeriebenen Armee” hingewiesen wurden, und er schloß den direkten Zusammenhang mit der VARUS-Schlacht nicht aus. Damals wurde diese These von breiten Fachkreisen abgelehnt. Die durch Ankauf nach Berlin gelangten Münzen gingen 1945 infolge der Luftangriffe der Alliierten verloren.

 

Eines jedoch dürfte bereits heute feststehen: Sobald die Archäologie den unumstößlichen Nachweis für Ort und Hergang der Clades Variana erbringt, wird sich auch der so lange währende Streit um die Örtlichkeit der “Schlacht im Teutoburger Wald” erledigen: Vielleicht werden dann die mehr als 700 (!) lippisch-westfälischen Gemeinden, die alle einen Anspruch auf den mutmaßlichen Standort erhoben haben, auf diesen Anspruch künftig verzichten müssen.