Arminius the Liberator

 

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FAQs

 

 

Das Echo des Sieges

 

Die Nachricht von der Niederlage des VARUS erschütterte ganz Rom. Die Hauptstadt des Reiches, das die Welt beherrschte, verfiel in Hysterie. So tief saß die Angst vor den wilden Völkern des Nordens, die Rom das erste Mal vor 114 Jahren beim Einfall der Cimbern und Teutonen gespürt hatte. Dabei war gerade die frohe Botschaft verkündet worden, daß der verlustreiche und teure Pannonische Krieg endlich beendet sei. Das machte die Bestürzung nur noch schlimmer. Am verheerendsten wirkte wohl die Tatsache, daß durch den Erfolg ARMINs den Römern ihr bisheriges hybrides Überlegenheitsgefühl, sich als die Herren der Welt aufzuführen, jäh zerstört wurde.

 

Überlebende der Schlacht, denen es gelungen war, sich bis zum Rhein durchzuschlagen, und diejenigen, die man bewußt hatte entkommen lassen, hatten von der Katastrophe berichtet. Die römische Eilstafetten-Post hatte dann noch genau fünf Tage gebraucht, bis die Unglücksbotschaft in der Hauptstadt eintraf und in den Händen des Kaisers lag.

 

Den 71jährigen Kaiser AUGUSTUS traf die Meldung über die vollständige Vernichtung der drei kriegsstarken Elite-Legionen mit den zugehörigen Reiterregimentern, sechs Kohorten der Bundesgenossen und riesigen Nachschubtrossen völlig unvorbereitet wie ein Keulenschlag. Wenn die Meldung zutraf, war die Hälfte der Rheinarmee verloren. Fast alle Offiziere mußten gefallen sein. Für das Imperium bedeutete das, bezogen auf die Gesamtzahl von 28 Legionen, einen Verlust von 12% oder der Tatsache, daß Rom momentan nur noch über 25 Legionen verfügte.

 

Das war nicht nur eine verlorene Schlacht, das bedeutete die Gefährdung aller Gebiete auch links des Rheins, da die gesamte Rheinfront empfindlich geschwächt und streckenweise völlig von Truppen entblößt war. AUGUSTUS mußte sofort aus weitentfernten Garnisonen Truppen an den Rhein beordern, um die Lücken notdürftig zu schließen.

 

Alle Stützpunkte, Kastelle, Magazine und sonstigen Einrichtungen rechts des Rheins mußten samt deren Besatzungen als verloren angesehen werden, und es war damit zu rechnen, daß die Cherusker und ihre Verbündeten noch hohe Lösegelder für ihre Gefangenen erpressen würden.

 

Am härtesten traf Rom der Verlust der Feldzeichen. Diese Symbole seiner Macht und Größe, die nicht nur der Armee heilig waren, waren in die Hände “hinterhältiger” Barbaren gefallen, die jetzt triumphierten…

 

Das empfand man als tiefe, erniedrigende Schmach, die nach Rache schrie. Der Schock saß tief: Das allmächtige Rom war mitten ins Herz getroffen.

 

AUGUSTUS hatte die drei Legionen einst selber gegründet und sie bei Beginn der Germanenkämpfe aus Aquitanien (Südwestfrankreich) an den Rhein verlegt; die 17. nach Ara (Köln) oder Novaesium (Neuß) die 18. und 19. nach Vetera (Xanten) (1)

 

(1) VELLEIUS PATERCULUS: "Das tapferste aller Heere ... an erster Stelle innerhalb der römischen Streitmacht..."

 

Sehr nahe ging ihm der Tod des VARUS, der ihm als einer der fähigsten Männer galt und dem er verwandtschaftlich verbunden war. In tiefster Verzweiflung soll er den toten Feldherrn mit den Worten angerufen haben: “VARUS, VARUS, gib mir meine Legionen wieder!”

 

Eine seiner ersten Reaktionen war die sofortige Entlassung seines aus Batavern (Niederländern) bestehenden germanischen Leibwächterkorps. Dies geschah gewiß nur aus der momentanen Stimmung heraus, denn eine allgermanische Solidarität war nie vorhanden. Er veranlaßte weiter, daß die drei Unglückslegionen nie wieder aufgestellt wurden. In den amtlichen Truppenlisten der ursprünglich 28 kaiserlichen Legionen und deren Garnisonen wurden sie ersatzlos für immer gestrichen – auch ihre Nummern wurden nie wieder vergeben.

 

Hier mag Aberglaube mitgespielt haben – auch Verdrängung eines verheerenden nationalen Traumas, man wollte und sollte sich nicht mehr erinnern. Ganz ähnliches ereignete sich in der modernen Kriegsgeschichte nach der Katastrophe von Vietnam für die Amerikaner.

 

Die Vorstellung, die Rebellen könnten über den Rhein hinweg ganz Gallien, ja sogar Italien besetzen, beherrschte alle, insbesondere die Reichen; offenbar traute man dem ARMINIUS, der nun in aller Munde war, und seinen Scharen ganz allgemein diesen Einfall zu.

 

Das war so abwegig nicht; ein solches Unternehmen wäre in den Augen der Römer weder unvernünftig noch unrealistisch gewesen, und so rechnete man im nächsten Jahr mit einer Großoffensive – die jedoch nicht erfolgte. Es sah so aus, als hätten die Germanen ihre große Chance nicht zu nutzen verstanden. Aber ARMINIUS kannte sehr wohl seine Möglichkeiten und die Mentalität seiner Landsleute. Die begnügten sich zufrieden mit dem Erreichten – der erkämpften und wiedererlangten Freiheit.

 

Von einem Großangriff eines Allgermanentums auf die mediterrane Kulturwelt, wie ihn die Römer befürchteten, konnte bei der Zersplitterung der Stämme und vor allem ohne die aktive Mitwirkung MARBODs überhaupt keine Rede sein. Und ein derartiges, viel zu weit gestrecktes, utopisches Ziel hatte sich der Cherusker ganz gewiß nicht vorgenommen. Eher ist er zu loben, daß er in weiser Beschränkung nur die schwachbesetzten Standlager rechts des Rheines kassiert hatte, denn die Masse der römischen Militärmacht stand an fernen Fronten. Er schätzte die Lage ganz nüchtern ein und bewies damit politisches Augenmaß.

 

Anstatt sich an einer Großoffensive mit ungewissem Ausgang zu übernehmen, mußte er jetzt eher an defensive Maßnahmen denken. Irgendwann würde die Rache-Antwort Roms auf ihn zukommen – mit tödlicher Sicherheit.

 

Immerhin war der Germanenschreck den Römern so tief ins Mark gefahren, daß aufgrund der Ängste übertriebene Spekulationen aufkamen. Dabei werden gewisse Gruppen, die daran interessiert waren, daß ihre einträglichen Rüstungsgeschäfte gesteigert wurden, die tief verwurzelte Barbarenfurcht ganz bewußt noch geschürt haben.

 

ARMINIUS hat nach dem großen Sieg seinen Leuten nur wenig Zeit gegönnt. In den nächsten Tagen und Wochen wurden sämtliche Stützpunkte, Straßenkastelle, Poststationen und Nachschublager zwischen Rhein und Weser und entlang der Lippe zerstört. Die schwachen Besatzungen ließ man über die Klinge springen, Gefangene wird man in diesem Erfolgsrausch ohne große Risiken kaum gemacht haben. Nur das Kastell Aliso (2) (Elsen?) – vielleicht ist es dasjenige, mit dem VARUS Verbindung aufnehmen wollte – leistet unter dem Legaten Lucius CAEDITIUS entschlossenen Widerstand. Dorthin hatten sich auch versprengte Reste der VARUS-Legionen retten können. (3)

 

(2) Das Kastell Aliso ist im Lippegebiet zu suchen. Es war offenbar die am meisten ostwärts vorgeschobene römische Festung.

 

(3) VELLEIUS PATERCULUS. II/117

 

Dann geht es nicht voran; die Germanen kennen keine Belagerungstechnik und versuchen es mit Aushungern. CAEDITIUS hofft auf Entsatz vom Rhein, doch der kommt nicht. Die wütenden, aber erfolglosen Angriffe vermag er mit seinen Bogenschützen und Wurfgeschützen abzuwehren und fügt den Belagerern empfindliche Verluste zu.

 

Mit solcher Gegenwehr hat auch ARMINIUS nicht gerechnet. Er versucht es zunächst mit einem Leiterangriff auf die Palisaden über die mit Baumstämmen und Faschinen ausgefüllten Spitzgräben. Er mißlingt; ebenso ein nach römischem Muster vorgetragener Schildkröten-Vorstoß. (4)

 

(4) Unter dem Schutz schuppenförmig gehaltener Schilde vorgetragener Angriff, um die Palisaden zu zerstören.

 

Die Guerillakrieger verstehen sich schlecht auf langwieriges Belagern einer stark gesicherten Festung, deren verschanzte Besatzung technisch weit überlegen ist und die man nirgends packen kann. Es bleibt bei der Hungerblockade.

 

Da bedient sich CAEDITIUS einer List. Einer Gruppe gefangener Germanen werden die noch vollen Getreidespeicher gezeigt, dann läßt er ihnen die Hände abhacken und schickt sie hinaus.

 

CAEDETIUS rechnet damit, daß die so grausam Verstümmelten erzählen würden, was sie gesehen haben, und daß danach dem Feind die Lust an einer monatelangen Belagerung vergehen und er abziehen wird; Zeitgewinn ist für ihn wichtig.

 

Doch es bleibt bei der Entschließung – man hat ja Zeit, kann in Ruhe abwarten, einmal wird der Römer kapitulieren müssen.

 

Der aber gibt nicht auf – ein ganzes Jahr lang kann er sich noch halten. Als dann aber die schon gestreckten Lebensmittel zur Neige gehen, benutzt er in einer stürmischen Winternacht, als die germanischen Wachtposten weniger aufmerksam sind, die günstige Gelegenheit, macht mit seiner tapferen Besatzung einen Ausfall und kann sich sogar den Rückzug zur Rheingrenze erkämpfen – eine militärische Glanzleistung. Erst danach wird Aliso eingenommen und zerstört. Leider haben die Sieger hier so gründliche Arbeit geleistet, daß die für Historiker und Archäologen so wichtige Örtlichkeit noch nicht gefunden wurde. Wäre die Lage bekannt, könnte man die Lokalisierung des mutmaßlichenVARUS-Schlachtfeldes wesentlich genauer einengen.

 

In dieser Zeit muß der Zwist zwischen ARMINIUS und SEGESTES stärker ausgebrochen sein. Der stolze Römerfreund konnte es nicht verwinden, daß ARMINIUS nun als der große Held gefeiert wurde und die Mehrzahl seiner Gefolgsleute, einschließlich seines Sohnes SEGIMUND, sich ihm anschloß. Auch wurmte es ihn, daß er durch die allgemeine Volksstimmung mit in ARMINs Krieg hineingezogen war.

 

Damals muß es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen dem “Sieger” und dem “Verlierer” gekommen sein. SEGESTES blieb nach wie vor ARMINs ärgster politischer Widersacher; wahrscheinlich wurde er vom Gauthing geächtet und auf seine Burg verbannt.

 

Es heißt auch, daß er von ARMINIUS eine Zeitlang gefangengehalten worden sei und daß SEGESTES seinerseits den gehaßten Schwiegersohn eine Zeitlang “in Ketten” festgehalten habe, bis ihn dessen Leute wieder befreiten. Oder war vielleicht THUSNELDA dabei mit im Spiel?

 

ARMINIUS wußte, daß Rom die VARUS-Niederlage niemals ungerächt hinnehmen würde, und rechnete mit einem baldigen Gegenschlag. Er kannte die römische Mentalität und wußte, wie die Offiziere dachten: “Rache für VARUS!” Er kannte auch TIBERIUS, der damals noch die Ausdehnungspolitik nach Osten vertrat. Ganz sicherlich hat er sich ausgerechnet, wann dieser Zeitpunkt voraussichtlich eintreten werde. Zu einem kurzfristigen Sofortschlag war Rom zur Zeit noch nicht in der Lage. Die Militärlager wurden zum Teil unterbelegt, neue Truppenteile noch im Aufbau begriffen, die Verluste durch Armins Offensive und den vierjährigen Pannonischen Krieg noch nicht wieder aufgefüllt. Die Masse der römischen Militärmacht stand verteilt an den weit überdehnten Fronten des Imperiums. Aber sie würden kommen, das war gewiß – und dieses Mal würden sie mit vier- bis fünffacher Übermacht erscheinen!

 

Der Ernst der neuen Lage war ihm mit Bestimmtheit klar. Eigentlich konnte er nur bestehen, wenn ihm starke und zuverlässige Bundesgenossen zur Seite standen. Er durfte als Kenner römischer Taktik sicher annehmen, daß man zunächst seine engsten Nachbarn ausschalten würde, um ihn dann um so leichter allein zu erledigen. Was war zu tun, wenn dieser Fall tatsächlich einträfe und seine Verbündeteten einzeln nacheinander geschlagen würden?

 

Und auch den zu erwartenden Operationsplan des großen Gegenschlages konnte er sich anhand seiner Erfahrungen zusammenreimen, war er doch mit Erfolg bei den Römern zur Schule gegangen und hatte die bewährte Strategie des Getrennt-Marschierens-und-vereint-Schlagens und die Praktik der einkreisenden Zangenbewegung unter TIBERIUS studiert. Fast immer waren Castra Vetera (Xanten), Ara (Köln), Mogontiacum (Mainz) oder Novaesium (Neuß) die Ausgangsbasen gewesen, und er konnte sich vorstellen, welch ungeheures Machtpotential dort versammelt wurde. Um einen voraussichtlich sehr verlustreichen Vergeltungskrieg, der dann mit Übermacht auf die Cherusker und ihrer Eidgenossen zukommen würde, den geballten Widerstand möglichst vieler Hauptstämme entgegensetzen zu können, benötigte er dringend die Hilfe MARBODs, der damals stärksten militärischen Kraft in Germanien.

 

Und so wird er wiederum durch geheime Vermittler mit dem König verhandelt, ja vielleicht dringend gefordert haben, sich dieses Mal einer aktiven Unterstützung nicht zu verschließen. Dabei wird er ganz eindringlich darauf hingewiesen haben, daß, wenn er, ARMINIUS, falle, dann auch ihn, MARBOD, mit tödlicher Sicherheit der nur aufgeschobene Angriff Roms früher oder später zerschmettern würde.

 

Sein Plan war, wenn Rom im Westen angriffe, sollte MARBOD in die Donauländer einbrechen und die Römer im Osten binden, während er selbst sie von Nordwesten umfassen wollte, um sie, wo er sie nur packen konnte, mit der bewährten Guerilla-Taktik zu zermürben. Eine besondere Schwäche des Gegners sah er in den überlangen Versorgungswegen; sie boten die Chance, die kämpfende Truppe von ihren Magazinen und Verpflegungsbasen abzuschneiden. Ein kühner Plan, der von ARMINs strategischem Talent zeugt: ein offensiver Zweifrontenkrieg als Patentlösung, die permanente römische Bedrohung für alle Zukunft auszuschalten.

 

Doch dieser weit – vielleicht zu weit – gespannte Gedanke scheiterte wiederum an der Passivität MARBODs.

 

Diesem kommt zwar der Sieg ARMINs über VARUS sehr gelegen, mit dem eine mögliche Gefahr aus dem Westen für ihn entfällt, aber wieder versagt er sich, verbleibt tatenlos wie vor der VARUS-Schlacht.

 

Auch jetzt ist der Grund unbekannt, er läßt sich nur vermuten: keine Risikobereitschaft – keine Fähigkeit zu politisch langfristiger Weitsicht – kein Solidaritätsgefühl. Sein Status quo ist ihm wichtiger.

 

So bleibt ARMINIUS in den darauffolgenden mörderischen Rache- und Eroberungszügen des GERMANICUS während der Jahre 14 bis 16 vorwiegend auf sich allein gestellt. Um ihn sind seine alten Eidgenossen aus der VARUS-Schlacht. Es ist die gleiche Mannschaft wie damals im Jahre 9 mit dem Unterschied, daß sie dieses Mal einer riesenhaften Übermacht gegenüber stehen wird – eine höchst bedrohliche, fast hoffnunglose Aussicht.

 

Ob er wohl daran gedacht hat, daß sein Sieg über VARUS nur das kleine Vorspiel einer späteren dreijährigen, unsagbar harten und blutigen Kriegsperiode war und daß der Kampf um die Freiheit unter ungleich schwereren Bedingungen noch einmal ganz aufs neue begann? Viel Zeit bis zum nächsten Gegenschlag blieb ihm vermutlich nicht. Er mußte sie nutzen, soweit dies in seinen bescheidenen Kräften stand. So wird er überall im Land seine besitzenden Gefolgsmannen zu vermehrten Rüstungsanstrengungen aufgefordert haben; wahrscheinlich hatten die Dorfschmiede alle Hände voll zu tun, um massenweise Lanzenspitzen, Schwerter, Streitäxte und Schildbuckel herzustellen, sowie friedliche, bäuerliche Arbeitsgeräte in brauchbare Behelfswaffen umzurüsten.