Arminius the Liberator

 

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Thusnelda

 

Thusnelda, tragische Frauenfigur. Spielball und Opfer im Streit der Hauptgestalten des römisch-germanischen Konfliktes, der die cheruskischen Adelsgeschlechter bis tief in die Familien spaltete. Stets ging es um die eine Frage: Für oder gegen Rom? Für oder gegen die Freiheit? Aber für Rom zu sein und sich gleichzeitig gegen die Freiheit einzusetzen – das ging nicht!

 

Ihr Schicksal ist ARMINIUS, der Mann, den sie liebt und zu dem sie voll und ganz auch gesinnungsmäßig steht. Obwohl sie weiß, daß ihr Vater SEGESTES der unversöhnliche und erbittertste Feind ihres Mannes ist, setzt sie sich dem Gatten zuliebe über die Bindung zur Sippe hinweg, läßt sich von ihm entführen und wird gegen den Willen des Vaters seine Frau. Ohne es zu wollen, gerät sie zwischen die Fronten.

 

Sie war eine bewundernswert tapfere und liebenswerte Persönlichkeit. TACITUS schildert sie uns überaus lebensnah und sympathisch, und wir erhalten durch ihn ein seltenes, ergreifendes Charakterbild einer Germanin, deren trauriges Geschick wohl stellvertretend für zahllose Frauen in einer von Krieg, Roheit und Gewalt bestimmten Männerwelt steht.

 

Vom eigenen Vater zum zweiten Mal entführt, wird sie zum beklagenswerten Objekt einer eigentlich politischen Konfliktsituation, ohne sich wehren zu können.

 

Noch härter trifft es sie, als später GERMANICUS im Jahre 15 den von ARMINs Leuten in seiner Burg umzingelten SEGESTES aus der Belagerung befreit und ihre Hoffnung auf Rückkehr zu ihrem Mann zunichte macht.

 

Die Frau des Arminius sollte ihren Mann nie wiedersehen. Sie ging in römischer Gefangenschaft zugrunde.

 

Was wird sie empfunden haben, als der junge römische Feldherr, der Todfeind ihres Gatten, sie interessiert und ungeniert betrachtet und entschlossen ist, sich diese glückliche Gelegenheit und diesen seltenen Fang auf keinen Fall entgehen zu lassen.

 

Wenn er schon nicht ARMINIUS wie ein wildes Tier in Ketten durch die Straßen Roms zerren kann, so sollen dann doch dessen schöne Frau und sein Kind – die er nun völlig in seiner Gewalt hat – dereinst in seinem Triumphzug zum Vergnügen des johlenden Pöbels stellvertretend für ihn die Schmach des Besiegten erleiden!

 

THUSNELDA steht wortlos in guter Haltung, ohne Tränen, ohne um Gnade zu flehen, vor ihm, nur die Hände auf ihren schwangeren Leib pressend. Absolut hilflos, vom eigenen Vater schmählich verraten, wird sie zum dritten Mal – dieses Mal als Gefangene Roms – entführt und nach Ravenna gebracht, wo sie ihren Sohn THUMELICUS zur Welt bringt. Dort hat sie unter ständiger Bewachung das trostlose Leben einer Geisel bis zu ihrem Lebensende geführt.

 

Ob sie all die nächsten Jahre auf eine Befreiung durch Mittelsleute ihres Mannes gehofft hat? Möglicherweise unternahm ARMINIUS nach dem Jahr 16, als die Römer entgültig abgezogen waren, mehrere Versuche, seine Frau freizubekommen. Das hätte sich am ehesten auf der Basis eines diplomatischen Gefangenenaustausches bewerkstelligen lassen, denn es war üblich, hochgestellte Kriegsgefangene auszulösen. Wenn sich dies als unmöglich erwies, hätte auch eine gewaltsame Befreiung vermittels eines handstreichartigen “Kommando-Unternehmens” im norditalienischen Ravenna Erfolg haben können. Aber dergleichen ist nicht geschehen – vielleicht wurde THUSNELDA später an einen völlig unzugänglichen Ort gebracht, auf eine Insel oder eine Bergfestung. Wäre es zu einer Befreiung der THUSNELDA gekommen, hätte sich der Dramatiker TACITUS dieses spektakuläre Ereignis am allerwenigsten entgehen lassen.

 

Als im Jahre 17 dem GERMANICUS trotz seiner militärischen Mißerfolge doch noch ein Triumphzug zugestanden wird – mehr des römischen Prestiges wegen als seiner Leistung zufolge -, erlebt THUSNELDA ihre tiefste Erniedrigung und Demütigung. Mit ihrem inzwischen in Ravenna geborenen, etwa dreijährigen Söhnchen THUMELICUS wird sie inmitten anderer vornehmer germanischer Gefangener an der Tribüne des TIBERIUS vorbeigeführt – ein Spektakulum ganz besonderer Art, bei dem sich die Höflinge, Senatoren, die Generalität und deren Damen gewiß die Hälse ausgerenkt haben.

 

Welch aufwühlende Gefühle werden die erniedrigte Gefangene bewegt haben, wenn ihr Blick SEGESTES, ihren leiblichen Vater, traf, der sie und seinen Enkel aus Haß auf ARMINIUS auslieferte und nun als eigens geladener Ehrengast des Kaisers am traurigen Vorbeimarsch der geschlagenen, aneinander geketteten Völker und eroberten Trophäen teilnimmt?

 

Wahrscheinlich aber hat sie in stolzer Haltung mit geradeaus gerichtetem Blick die geilen Gaffer unbeachtet gelassen.

 

Danach ist von ihr nicht mehr die Rede, und ihr Bild verliert sich für immer im Dunkel der Geschichte. Mag sein, daß ein römischer oder griechischer Bildhauer von dieser edlen Frauengestalt so stark beeindruckt war, daß er sie in Marmor verewigte und so der Nachwelt ein einmalig schönes, nordisches Frauenbild vermittelte, dessen Qualität erst zwölfhundert Jahre später in der “Uta von Naumburg” ähnlich wieder erreicht worden ist.

 

THUMELICUS soll ein nicht minder trauriges Schicksal erlitten haben. Es heißt, er sei in einer der berüchtigten Gladiatorenschulen zum Schaukämpfer erzogen worden und vermutlich später einen unrühmlichen Tod in der Arena gestorben. Damit teilte er das Los Tausender germanischer Kriegsgefangener, die gezwungen wurden, dort zum perversen Vergnügen der Römer auf Tod und Leben gegeneinander zu fechten.

 

Der Gedanke, daß ein Römer, noch dazu sein persönlicher Todfeind, GERMANICUS, ihm die Gattin mit seinem Kind gewaltsam entführt hatte, brachte den ohnehin sehr gefühlsstarken und zudem außerordentlich belasteten ARMINIUS zum Toben. Doch müssen auch schmerzliche Trauer und ohnmächtige Verzweiflung den sonst so harten und kühlen Mann im Herzen zutiefst verwundet haben. Wenn “die Germanen nichts mehr fürchteten und nichts unerträglicher empfanden, als wenn ihre Frauen und Töchter in Gefangenschaft gerieten” (TACITUS, Germania I, 8), so ist zu verstehen, daß die schändliche Tat des SEGESTES einem ungeheuerlichen Frevel gleichkam, der nicht nur ARMINIUS allein anging.

 

Unermüdlich ritt er von Ort zu Ort und rief sein Volk zur Rache für THUSNELDA und gegen SEGESTES auf. Seine wütenden Reden, Schmähungen und anfeuernden Aufrufe fielen bei der Bevölkerung und den benachbarten Bundesgenossen wie ein Funke ins Pulverfaß. Sogar sein sonst mehr neutral und abseits stehender Oheim INGOMER, der bei den Römern in hohem Ansehen stand – er hatte sich an der VARUS-Schlacht nicht beteiligt -, schließt sich spontan dem Neffen an und stellt sich ihm mit seiner gesamten Gefolgschaft zur Verfügung. Ein großer Erfolg ARMINs – für GERMANICUS ein ernster Grund zur Besorgnis, denn nun hatten sich die Germanen in gemeinsamer Erbitterung und Wut um so fester zusammengeschlossen. So war THUSNELDAs trauriges Schicksal nicht umsonst.