Arminius the Liberator

 

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Idistaviso

 

Bei Idistaviso, auf den “Elfenwiesen”(1) , kommt es zur entscheidenden Schlacht. Dieses Schlachtfeld soll sich nach den geographisch oft recht vagen germanischen Ortsbezeichnungen der antiken Schriftsteller “zwischen der Weser und einer den Flußkrümmungen folgenden Hügelkette” befunden haben. Damit müßte der bislang zumeist angenommene Raum in der Nähe nordostwärts von Porta eigentlich ausscheiden, nimmt man die Beschreibung wörtlich; denn dort gibt es keine ähnlich gebildete Geländesituation. Eine passende Örtlichkeit ist jedoch vorstellbar, wenn man die Ortsbezeichnung des TACITUS – der diese Gegend ja nur nach dem Hörensagen beschrieb – etwa weitergefaßt betrachtet. Das Feld von Idistaviso könnte dann in grober Bestimmung am West-Ost-Hellweg, irgendwo auf einer Ebene zwischen dem Wesergebirge an der Porta, einer damals weit nach Osten ausbuchtenden Weserschleife und den bewaldeten Hohenzügen westlich von Bückeburg liegen. In dieser Auenlandschaft kann sich durchaus ein durch mehrere, vielleicht sogar künstlich angestaute Bachläufe gebildetes breites Wasserhindernis befunden haben, das damals als der Weser zugehörig angesprochen wurde. Dann könnte die Beschreibung in etwa zutreffen.

 

(1) Die Übersetzung von Idistaviso mit “Elfenwiesen” ist umstritten und so auch nicht nachzuvollziehen, da die genaue Lage immer noch unklar ist.

 

Zur Annahme von “Idistaviso” in der Nähe der Porta hat wohl auch der etwas ähnlich klingende Name der Ortschaft Evesen und die alte Flurbezeichnung “die Dodtacker” mit beigetragen. Die andere Theorie, “Idistaviso bei Eisbergen” südlich des Wesergebirges zu suchen, scheint zunächst eher denkbar, dagegen sprechen jedoch die damaligen Geländeverhältnisse und etliche andere Gründe.

 

Hier jedenfalls, auf einem Gelände zwischen der Weser und dem Wesergebirge, treffen die Römer auf die Germanen, die sich dieses Mal zu einer Art Schlachtordnung formiert haben – für sie ein Novum.

 

Die GERMANICUS-Armee tritt mit einer beeindruckend mächtigen Truppenstärke an, die alles Bisherige übertrifft: insgesamt etwa 84,000 Mann (ohne Trosse und ohne die Lager- und Schiffsbesatzungen). Sie setzt sich zusammen aus 1,000 Mann Prätorianergarde, 40,000 Mann Infanterie (acht Legionen zu je rund 5,000 Mann), ca. 30,000 Mann Hilfstruppen-Einheiten aus Galliern, Batavern und Germanen, rund 5,000 Mann germanischer Bundestruppen (vorwiegend Reitern), rund 6,000 Mann schwerer Gardekavallerie, rund 1,000 Mann leichter Kavallerie (orientalische Bogenschützen) und etwa ebensovielen Bogenschützen zu Fuß.

 

Die Marschordnung der Römer folgt wie gewöhnlich der üblichen Formation des Agmen Quadratum, einer ausgeklügelten, ganz auf Sicherheit und Geschlossenheit bedachten Gliederung der Heeresmacht – praktisch eine marschierende, gut geölte Kriegsmaschine. Ihre Ausdehnung beträgt in der Breite etwa 350 m, in der Tiefe etwa 2,000 m. Wenn beispielsweise zwei Legionen aus dem Marsch heraus in Schlachtordnung (2) übergingen, betrug deren Front breite mit je drei Reiteralen an den Flanken etwa 1,600 m, ihren in mehreren Treffen gestaffelte Tiefe ungefähr 800 m.

 

(2) Gekämpft wurde in einer dreifachen Schlachtordnung der sogenannten Acies triplex. In dieser Formation waren die Legionen schachbrettartig aufgestellt: in der 1. Legion 4 Kohorten, in der 2. und 3. Legion jewals 3.

 

Für Germanenaugen muß ein solches Exerziermanöver, das vermittels akustischer und optischer Signale mit größter Präzision ausgeführt wurde, ein tief beeindruckendes, aber auch die Moral belastendes martialisches Schauspiel gewesen sein.

 

Die Marschaufteilung ist folgende:

 

• Die Vorausabteilung aus Kavallerieeinheiten, Bogenschützen und Auxiliarinfanterie, um das Gelände zu erkunden und erste Angriffe abzuwehren.

 

• Die Vorhut, bestehend aus einer durch Los ermittelten Legion, verstärkt durch einen Reitertrupp, der Verbindung zum Gros hält. Diese Legion hat bei einem Angriff solange hinhaltend Widerstand zu leisten, bis die Hauptmacht heran ist

 

• Eine Pioniereinheit mit der Aufgabe, den Kolonnen den Weg zu bahnen, falls Hindernisse auftreten.

 

• Zehn Mann aus jeder Centurie, die die Werkzeuge für den täglichen Lagerbau tragen.

 

• Es folgen die ersten vier Legionen, voran die Feldzeichenträger und Signalhornisten, darunter in Viererreihen die Legionäre. Zwischen den Legionen marschieren, jeweils gut geschützt, die kleinen Trosse.

 

• Offiziere und Beamte des Feldherrnstabes mit einer starken berittenen Eskorte.

 

• GERMANICUS selbst, zu Pferde, mit seiner persönlichen Prätorianer-Leibgarde.

 

• Der Kern der schweren Reiterei.

 

• Die Maultiere mit den zerlegten Belagerungswaffen und Geschützen.

 

• Die höheren Offiziere, Tribunen und Auxiliarpräfekten mit einer Kerntruppen-Eskorte.

 

• Die drei restlichen Legionen.

 

• Die gesamte Marschordnung ist von 8 Alenkavallerie (eine Ale = 500 Reiter) beidseitig flankiert.

 

• Die Nachhut, bestehend aus einem starken Kontingent schwerbewaffneter Infanterie, Auxiliarverbänden und Reiterei, hat die Aufgabe, in einer Krisenlage so lange den Rücken der Hauptmacht zu decken, bis diese in Sicherheit ist. (Der große Nachschubtroß ist hier nicht berücksichtigt.)

 

Wie verhält sich ARMINIUS gegenüber dieser gewaltigen Heeresmacht? Seine taktischen Überlegungen lassen sich an der Folge der überlieferten Kampfhandlungen ziemlich klar ablesen. Er verfolgt offensichtlich folgende Absichten:

 

1. Zunächst den Gegner mit Teilstreitkräften möglichst lange durch hinhaltenden Widerstand an der Entfaltung hindern, dabei zur Verzögerung und Abwehr des Vorstoßes die in dieser Gegend zahlreichen Wasserläufe breit anstauen.

 

2. Zeit gewinnen, um im Hinterland das gesamte Volk zu mobilisieren und um eine Auffangs- bzw. Verteidigungsstelle aufzubauen.

 

3. Scheinbar fliehend sich vom Gegner lösen und sammeln.

 

4. Den Gegner zu einer Richtungsänderung seines Vorstoßes verleiten und ihn damit zwingen, sein Konzept zu ändern.

 

5. Den Gegner bei seiner Verfolgung in für ihn ungünstiges Gelände locken und schon dabei aus günstigen Positionen heraus pausenlos angreifen und ihn nach Möglichkeit schwächen.

 

6. Dort dem Gegner aus der Defensive heraus geschützt von einem vorbereiteten Verteidigungswerk mit allen verfügbaren Kräften und einschließlich des “Landsturms” die Hauptschlacht liefern.

 

7. Je nach Lage sich wiederum absetzen und untertauchen, den Gegner, der inzwischen von seiner ursprünglichen Zielsetzung abgewichen ist und sich weit von seiner Versorgungsbasis entfernt hat, ins Leere laufen zu lassen und seinen Verpflegungsnachschub unterbrechen.

 

ARMINIUS hat seine Streitmacht beiderseits des Hellweges, den GERMANICUS kommen muß, postiert. Die erste Heeresgruppe wartet in der Ebene nördlich der Vormarschstraße, eine Zweite, die Hauptmacht, die er selbst mit seinen Cheruskern anführt, steht südlich der Straße an den bewaldeten Hängen des Wesergebirges, der Klushöhe, des Harrl und der Bückeberge in Bereitstellung und lehnt sich an das umwallte, 100 Morgen große “Nammer Lager” an, das als Stützpunkt zugleich Flankendeckung bietet. (3)

 

(3) Die größte germanische Ringwallanlage Norddeutschlands. Sie konnte dank ihrer zahlreichen Quellbrunnen große Menschen- und Viehmengen aufnehmen.

 

Die in der Ebene aufgestellten Truppen sollen nach bewährter Methode des Agmen an der Spitze und am Ende angreifen, wo die Hilfskohorten eingesetzt sind. Dann will ARMINIUS mit dem Gros von den Höhen herab mit gewaltiger Wucht den Kolonnen in die Flanke fallen, um sie in Einzelgefechte zu verwickeln. Damit hofft er zunächst den Vormarsch zu stoppen.

 

Dieses Vorhaben schlägt vermutlich wegen der noch zu undisziplinierten Kampfesweise der germanischen Krieger fehl. Diese stürmen in blindem Angriffseifer beim ersten Anblick der Römer zu früh los; möglicherweise ist es INGOMER, der das vorschnelle Vorpreschen und damit unnötige Verluste verschuldet – es hätte zu seinem Naturell gepaßt.

 

GERMANICUS befiehlt – taktisch sehr richtig – dem Kern seiner Kavallerie, dem Feind in die Flanke zu fallen. Währenddessen soll STERTINIUS mit seinen Reitern ein Umgehungsmanöver durchführen und die Germanen vom Rücken her fassen. Daß STERTINIUS schon wieder von seiner Strafaktion zurückgekehrt ist, erhärtet die Annahme, daß das Gebiet der Angrivarier nicht allzu weit entfernt von “Idistaviso” gelegen haben kann. Die Angriffe bewirken Verwirrung, und es entsteht eine kritische Lage für die Germanen.

 

 Diese ist jedoch nicht schlachtentscheidend, denn es gelingt ARMINIUS und INGOMER -, trotz Verwundung in vorderster Front fechtend – die ersten vier Treffen der Kohorten der Rätier, der Vindelicier, der Gallier und der Bogenschützen mit ihren Sturmtruppen erfolgreich zu durchbrechen. Als er sich tief in den feindlichen Linien befindet, gerät er in höchste Gefahr. Um nicht erkannt zu werden, beschmiert er sich das Gesicht mit seinem Blut und versucht, alles auf die Geschwindigkeit seines Pferdes setzend, sich durchzuschlagen. Er hat Glück: Die auf römischer Seite kämpfenden unterworfenen Chauken (Bewohner der ostfriesischen Küste und Unterweser) erkennen ihn und lassen ihn bewußt durch ihre Reihen entkommen, obwohl sie ihn unschwer hätten gefangen nehmen können, was ihnen eine Riesenprämie eingebracht haben würde – ohne Zweifel ein Akt germanischen Gemeinschaftssinnes.

 

So bleibt ihm das Schicksal eines VERSINGETORIX erspart. Der Cherusker genießt auf beiden Seiten ein so hohes Ansehen – ja Popularität, daß er besonders von den germanischen Söldnern der Römer insgeheim bewundert und deshalb geschont wird.

 

 GERMANICUS wird dies sehr bedauert haben – mit einem gefangenen ARMINIUS wäre der Krieg schlagartig beendet gewesen!

 

Das gesamte Gefecht wird auf römischer Seite fast ausschließlich von den Auxiliareinheiten geführt, der Block der Legionäre marschiert während der Kampfhandlungen in eisern zusammengeschlossenen, so gut wie unangreifbaren Agmen und gewinnt dabei Raum; man kann daher eher von einem “Marschgefecht” sprechen. Blutige Verluste haben lediglich die Hilfstruppen aus fremden Völkerschaften zu verzeichnen, die – typisch für die römische Kampfesweise – stets als erste vor den Legionen eingesetzt werden, wo sie den Hauptstoß auszuhalten haben.

 

In Nahkämpfen Mann gegen Mann und in Reiterkämpfen zieht sich die Schlacht vom frühen Vormittag bis zum Einbruch der Nacht hin, es kann also kaum von dem für die Römer “nicht blutigen Sieg” die Rede sein, von dem uns berichtet wird. An einer Weserschleife kommt es zu dramatischen Szenen; eine germanische Abteilung hat den Anschluß in die eigenen Linien verloren, wird von Reiterei eingekreist und in den Fluß getrieben, wobei viele ertrinken. Andere, die sich auf Bäumen versteckt haben, werden von Bogenschützen heruntergeschossen und erschlagen.

 

Man muß das sehr ungleiche Kräfteverhältnis bedenken, will man den langen und heldenhaften Kampf richtig würdigen, den die Krieger des ARMINIUS durchstehen. TACITUS schreibt, daß Leichen und Waffen der Feinde eine Strecke von 15 km bedeckt haben. Welch aufopfernder Widerstand ist hier geleistet worden!

 

Am Ende des Tages kann GERMANICUS einen “Sieg ohne große Verluste” für sich verbuchen, weil nur die Hilfstruppen im Einsatz waren. Er hat zudem einen Bodengewinn von 15 km in östlicher Richtung (etwa bis in die Gegend von Obernkirchen) und damit ohne Zweifel einen Anfangserfolg erzielt. Zu seiner großen Enttäuschung muß er jedoch erkennen, daß die Leiche ARMINs nicht unter den gefallenen Germanen zu finden ist. Die auf ihn ausgesetzte Kopfprämie wird nicht eingelöst.

 

Trotzdem läßt er aus den Waffen der Erschlagenen ein Siegesmal mit den Namen der angeblich “besiegten Stämme” auf einem Erdhögel errichten, als sei der Krieg schon beendet.

 

Es wird berichtet, daß der Anblick dieses Siegeszeichens die Germanen mehr in Wut und Schmerz erfüllt habe, als es die erlittenen Verluste vermochten. Alle bisher noch abseits Stehenden, ob jung oder alt, ob einfaches Volk oder Adelige hätten spontan zu den Waffen gegriffen und den römischen Heereszug, wie TACITUS beschönigend berichtet, “in Verwirrung gebracht”(4) Eher anzunehmen ist, daß es ein leidenschaftlicher Aufruf des ARMINIUS zur Entscheidungsschlacht gewesen war, der das letzte Aufgebot, eine Art “Landsturm” mobilisiert. Auch können die von den Römern angegebenen Verluste nicht so gravierend gewesen sein.

 

(4) TACITUS, Annalen II, 19

 

Schon einige Tage nach Idistaviso standen wieder Tausende von frischen germanischen Kämpfern bereit.

 

GERMANICUS, der ARMINIUS verwundet und mit einem geschlagenen Heer auf der Flucht nach Osten wähnt, verkündet den Sieg und läßt die Soldaten TIBERIUS, dem Imperator, huldigen – werden doch alle Kriege unter den Auspizen des Kaisers geführt. Der Römer rechnet noch damit, daß ARMINIUS versuchen würde, seinen Vormarsch nach Osten durch Angriffe auf Marschkolonnen und Nachschub entlang dem Nordhang des Wesergebirges, der Bückeberge und des Deisters zu erschweren – zu sehr viel mehr kann dieser kaum noch in der Lage sein.

 

Was aber tut ARMINIUS? Er benutzt die Nacht, um sich vom Feind zu lösen, zu sammeln und neu zu formieren. Er ist keineswegs vernichtend geschlagen, sondern kampffähig und hat seine Truppen fest in der Hand. Und nun geschieht etwas völlig Unerwartetes: Urplötzlich wendet sich Arminius, scheinbar fliehend, nach Norden! Mit diesem taktischen Entschluß bringt er schlagartig das Operationskonzept des Gegners durcheinander, der sich einer neuen Lage gegenübersieht: Er hat den verhaßten Cherusker, den er schwer angeschlagen wähnte, nicht in voller Auflösung vor sich, sondern muß dem Wendemanöver um 90 Grad folgen, wenn er ihn erledigen will. Ihm wird klar, daß damit das ganze “Unternehmen Elbe” in Frage gestellt ist. Er muß ARMINIUS und dessen Heer, er muß das ganze Volk vernichten, wenn er unbehelligt den Marsch nach Osten fortsetzen und das gesamte Gebiet bis zur Elbe in Besitz nehmen will.

 

Und so marschiert er, gezwungenermaßen und angestachelt von Verfolgungseifer und Ehrgeiz, mit seinen Legionen hinter Arminius her. Ob er dabei an die verhängnisvolle Marschwendung des VARUS gedacht hat? Immer wieder wird er durch zeitraubende Waldgefechte, in denen sich seine Truppen nicht entfalten können, aufgehalten und erleidet Verluste. Allzu weit durfte er sich jetzt von seiner Lebensmittelflotte nicht entfernen, die nur mit schwächeren Kräften gesichert war. Diese ankerte wahrscheinlich im Hinblick auf das weitere Vorrücken nach Osten in Gegend Porta Westfalica. Würde er im Rücken von ihr abgeschnitten, so wäre das gesamte Unternehmen ernstlich gefährdet, wenn nicht gescheitert.

 

Zu diesem Zeitpunkt muß er weitere drängende Briefe des Tiberius erhalten haben, der ihn zum wiederholten Male zum Abbruch der Aktionen aufforderte – es sei nun genug der “Ruhmestaten”! Schon des öfteren hatte der Kaiser versucht, GERMANICUS zurückzuholen, er bot ihm sogar mehrmals ein lukratives Konsulat an. Auch solle er seinem jüngeren Bruder DRUSUS die Chance geben, sich den Imperatorentitel zu verdienen. Aber ein GERMANICUS war nicht derjenige, der aufgab, wo der endgültige Sieg zum Greifen nahe schien. Er konnte es sich gar nicht leisten, jetzt abzubrechen, das wäre ein Eingeständnis der Schwäche gegenüber den Germanen gewesen – und damit zugleich eine Gefahr für die Politik des Imperiums. Er wird mit Nachdruck darauf hingewiesen haben, daß ARMINIUS bereits stark angeschlagen und fast ohne Verbündete sei und es nur noch eines besonders harten Schlages bedürfe, um ihn in die Knie zu zwingen.

 

Ob er so hartnäckig geblieben wäre, wenn er gewußt hätte, daß er nie die Elbe sehen würde?