Arminius the Liberator

 

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FAQs

 

 

Die letzte Schlacht

 

Im Grenzwall der im Norden benachbarten Angrivarier stellt sich der Cherusker schließlich erneut in einer für ihn denkbar günstigen Position zum Kampf. Es ist für ihn die Entscheidungsschlacht auf Leben und Tod, in die er seine letzten Reserven wirft. (1) Dieser Wall wird unmittelbar an der Weser bei Leese in einer Enge zwischen einer damals nach Osten weit ausbuchtenden Stromschleife und einem sich ostwärts davon bis zum Steinhuder Meeer erstreckenden, unbegehbaren Moor- und Sumpfgebiet vermutet. Er soll nach den ersten Untersuchungen (1926) aus einer etwa 1,800 Meter langen, 8 Meter breiten, über einen Geestrücken verlaufenden Holz-Erde-Befestigung bestanden haben. Neuere Forschungen vermuten, daß es sich nur um Spuren einer mittelalterlichen Landwehr handelt. Dagegen spricht, daß solche Analgen niemals eine Palisadenwand besaßen.

 

(1) TACITUS, Annalen II, 19-22

 

Es ist jedoch denkbar, daß sich schon Jahrhunderte vorher an dieser (übrigens von TACITUS ziemlich genau lokalisierten) Stelle eine Wallanlage befunden hat. Wenn auch bislang eine genaue Datierung noch nicht vorliegt, so gibt es wohl kaum einen logischeren Schluß als die Annahme, daß in dieser bemerkenswerten Geländeenge der Angrivarier-Wall zu suchen ist.

 

Ähnlich verhält es sich mit der im gleichen Raum befindlichen “Düsselburg”, einem 110x104 m großen Ringwall, der nur 5 km ostwärts vom angenommenen Angrivarier-Wall im damaligen Moorgelände des Steinhuder Meeres wie eine vom dortigen Meerbach umflossene Festung liegt. Er wird vorwiegend der sächsischen Zeit (4. bis 5. Jahrhundert) zugeordnet und soll eine vom KARL DEM GROSSEN zerstörte Wehranlage oder eine mittelalterliche Grundherrenburg gewesen sein. Aufgrund der auffälligen Lage ist nicht auszuschließen, daß es an diesem strategisch hervorragenden Ort schon immer einen Stützpunkt oder einen Sperriegel gegeben hat, der in Verbindung mit der nahen Defensivschlacht des ARMINIUS – ähnlich wie das “Nammer Lager” bei Idistaviso – eine wichtige Rolle spielte. Hierzu sei erwähnt, daß Graf Wilhelm von SCHAUMBURG-LIPPE im Siebenjährigen Krieg gegen einen Angriff der Franzosen eine Anlage von Sperrwerken erwog, die sich von der Weser bei Leese (!) über das ostwärtige Moor und Bruchgebiet des Steinhuder Meeres mit dem Wilhelmstein und von dort nach Süden zum alten Heerweg (!) Bückeburg-Hannover erstrecken sollte. Schon 1673 gab es zwischen Leese und Wasserstraße Schanzen hannoverscher Truppen, um den Aufmarsch des französischen Marschalls TURENNE in Richtung Osten zu stoppen. Das ist auffallend der gleiche militärische Raum, in dem die Abwehrmaßnahmen ARMINs, der gleichfalls einen Agressor aus dem Westen erwartete, angenommen werden können.

 

Beim Angrivarier-Wall muß es sich um eine ursprünglich sehr einfache Grenzwehr gehandelt haben. Daß sie General STERTINIUS während seiner Racheaktion nicht ernstgenommen hat, spricht für eine kaum ausgebaute Anlage. Wäre sie bereits jenes starke, von ARMINIUS ausgebaute, nicht mehr umgehbare (!) Verteidigungswerk gewesen, das wie eine Stadtmauer erst nach massivem Einsatz schwerer Waffen von den Legionen und der Prätorianergarde verlustreich erstürmt und durchbrochen werden konnte, so wäre sie von GERMANICUS gewiß nicht übersehen worden. Er würde sie zumindest besetzt, wenn nicht geschleift haben.

 

Jedenfalls liegt die Vermutung sehr nahe, daß der vorhandene Grenzwall erst nach dem Brückenschlag des Weserüberganges zu einer durch ihre Ausmaße und Konstruktion imponierenden Defensionsanlage ausgebaut worden ist. ARMINIUS muß bis zum Eintreffen des GERMANICUS nicht mehr als etwa sechs bis acht Tage Zeit zur Verfügung gehabt haben, die er sich durch die pausenlosen “Verwirrung stiftenden Angriffe” (TACITUS) des aufgebotenen “Landsturms” auf die verfolgenden Legionen verschaffte.

 

Mit einigen Tausend Mann seines Heerbanns – darunter seine von ihm selbst ausgebildeten Auxiliarkrieger – war die Arbeit unter Mithilfe der Bevölkerung und der gerade bestraften Angrivarier sowohl technisch als auch zeitlich zu bewältigen - wahrhaft ein Meisterstück an Organisation des Cheruskers, und noch dazu unter der Belastung seiner noch frischen Verwundung. Es könnte sich dabei um eine zusätzliche starke Palisadenkonstruktion gehandelt haben, ähnlich wie sie bei anderen germanischen Wehrbauten zur Zeit der römischen Feldzüge angelegt worden sind (zum Beispiel auf dem Tönsberg und Piepenkopf in Lippe).

 

Bei der strategischen Führungskunst des ARMINIUS ist ohne weiteres anzunehmen, daß er das für GERMANICUS völlig unerwartete Ausweichen nach Norden schon von vornherein geplant hatte, um den Römer von seinem eigentlichen Ziel abzubringen. (2)

 

(2) Arminius bedient sich der Taktik, die FRIEDRICH DER GROSSE in seiner “Führungs-Vorschrift” von 1747/48 anführt: “Die besten Schlachten sind diejenigen, in welcher man den Feind zu dem nöthiget, was er zu tun nicht Lust hat … man muß niemals das thun wollen, was der Feind haben will.”

 

Durch diesen klugen Schachzug zwingt er den Gegner in eine Lage, die sich für diesen äußerst nachteilig auswirkt, denn die strategisch hervorragend gelegene Sperre zwischen Strom und Moor in einem für den Gegner schwierigen Gelände kann zu einer verhängnisvollen Falle werden! Und so ist wiederum er es – wie schon Anno IX -, der dem Gegner das Gesetz des Krieges diktiert! Der in der Luftlinie etwa 30 km lange Marsch der Römer wird durch schwieriges Gelände erheblich erschwert und verzögert. Hingegen bietet das stark bewaldete Gebiet des Schaumburger und Loccumer Waldes den ununterbrochen störenden Cheruskern wiederum beste Möglichkeiten zu ihrer gewohnten Kampfesweise.

 

Als GERMANICUS in der Ebene vor dem Wall eintrifft, stehen die Germanen mit ihrem rechten Flügel an die Weser angelehnt, die Masse verteilt sich auf das Bollwerk – der linke Flügel, die Reiterei, verbirgt sich in einem nach Osten anschließenden Waldstück. Sie hat den Auftrag, die den Wall angreifenden Römer in ihrer rechten Flanke und danach im Rücken zu fassen und gegen die Weser zu drücken. Dieser Plan jedoch wird durch die römische Aufklärung frühzeitig erkannt und durch einen Gegengriff römischer Kavallerie verhindert.

 

Wegen der Enge des Raumes können zunächst nur vier Legionen eingesetzt werden; eine Gruppe gegen den Wall, eine andere gegen den Wald. Noch überläßt GERMANICUS das meiste seinen Generalen. Bei der Erstürmung des Walles haben die römischen Sturmkolonnen einen schweren Stand, weil sie von oben her bekämpft werden.

 

Da sie nach blutigen Verlusten immer noch keinen Durchbruch erzielen, sieht sich GERMANICUS gezwungen, sie zurückzuziehen. Er ordnet nun den massiven Einsatz von Schleuderern, Bogenschützen (s. untere Abbildung) Skorpionen und schwerer Wurfartillerie an. Diesem Angriff haben die Germanen außer ihrer Tapferkeit nichts entgegenzusetzen. In verzweifelter Gegenwehr halten sie unter hohen Verlusten noch eine Zeitlang stand – sie wissen, was mit diesem letzten Kampf für sie alle auf dem Spiel steht -, bis es mit ihrer Kraft zu Ende geht und der heißumkämpfte Wall von den Prätorianer-Kohorten erstürmt wird.

 

Während sich die angeschlagenen Verteidiger nach Norden in schützendes Gelände zurückziehen, geht GERMANICUS an der Spitze seiner geschonten Reserve und der Kavallerie gegen die am Rande des östlichen Waldgebietes noch Widerstand leistenden Truppen ARMINs vor. Er hat den Helm abgenommen, um besser von seinen Leuten gesehen zu werden, und befiehlt ihnen, auf keinen Fall Gefangene zu machen – der Sieg sei erst mit der “vollständigen Ausrottung des Cheruskervolkes” errungen!

 

Weil die Germanen Wald und Sumpf und die Römer die Weser im Rücken haben, sind beide gezwungen, auf engem Raum an Ort und Stelle standzuhalten. Dabei kommt es zum gnadenlosen Kampf Mann gegen Mann.

 

ARMINIUS und INGOMER, an der Spitze ihrer Reiterei fechtend, wirken nicht so tatkräftig wie sonst – auch sie sind inzwischen durch Verwundungen und die ununterbrochenen Strapazen geschwächt.

 

Bis in die Dämmerung wütet das Morden, erst dann trennen sich die erschöpften Gegner, und GERMANICUS kann eine Legion zum Lagerbau zurücknehmen. Der Kampf sei ungleich gewesen, weil die Germanen aufgrund ihrer primitiven Bewaffnung im Nachteil waren, räumt TACITUS ein – die Reiterschlacht sei dagegen “unentschieden” verlaufen; das bedeutet, daß ARMINs Kavallerie noch einsatzfähig blieb.

 

GERMANICUS weiß, daß er durch seine zahlenmäßige und kriegstechnische Überlegenheit zwar auch diese Schlacht, nicht aber seinen Krieg gewonnen hat. Der kann für ihn nicht eher beendet sein, als bis ARMINIUS tot oder gefangen und sein Volk restlos vernichtet ist.

 

Die empfindlich angeschlagenen Germanen setzen sich weiter in die nördlichen Wälder ab, und ein römischer Nachstoß geht ins Leere. Eine weitere Aktion findet nicht mehr statt, da die Römer befürchten, dann von Osten aus Wald und Moor in der Flanke angegriffen und in die Weser geworfen oder vom Nachschub abgeschnitten zu werden. Auch ihre Truppen sind abgekämpft und haben noch einen langen und gefahrvollen Rückmarsch vor sich.

 

GERMANICUS fühlt sich als stolzer Sieger. Wiederum läßt er aus den erbeuteten Waffen einen Trophäenhügel errichten, an dem er – wider besseres Wissen – die Inschrift anbringen läßt, daß nunmehr “sämtliche Stämme zwischen Rhein und Elbe völlig besiegt” seien. Tatsächlich ist er nur bis an die Weser gelangt, ohne die Elbe jemals gesehen zu haben. Er hat zwar das Schlachtfeld behauptet, es ist ihm aber wiederum nicht gelungen, seinen Hauptfeind ARMINIUS, dessen Heer und dessen Volk vernichtend zu schlagen.

 

Was mag den Römer zu dieser maßlosen und unzutreffenden Behauptung getrieben haben? Waren es Eitelkeit und der Zwang, sich dem TIBERIUS gegenüber als erfolgreicher Feldherr behaupten zu müssen, oder waren es pure Ruhmsucht und die Gier nach triumphalen Ehrungen, die er heiß ersehnte?

 

Da die Jahreszeit schon fortgeschritten ist und wohl auch, weil die Nahrungsmittel zur Neige gehen, beordert GERMANICUS die Flotte schnellstens zu sich, um nach Aufnahme der Truppen und der Verwundeten unverzüglich den Rückmarsch auf dem Wasserweg anzutreten. Bis zu ihrem Eintreffen – etwa bei Schlüsselburg – verbleibt er im sicheren Lager südlich des Walles. Als verladen werden soll, stellt sich heraus, daß der Stauraum trotz der Verluste an Menschen, Pferden und verbrauchtem Proviant nicht ausreicht. Ein Teil der Armee ist gezwungen, den Heimmarsch auf dem Landweg anzutreten.

 

Dafür kann es eigentlich nur den Grund gegeben haben, daß eine größere Anzahl von Schiffen in der Zwischenzeit von cheruskischen Kommandos oder den kürzlich abgefallenen Angrivariern verbrannt und versenkt worden ist, nachdem die schwachen Bewachungsmannschaften überwältigt werden konnten.

 

Über die tatsächliche Ursache schweigt der römische Bericht, jedoch ist auffällig, daß der Reitergeneral STERTINIUS unmittelbar nach der Einschiffung den Befehl erhält, die Angrivarier anzugreifen, um sie erneut zur Unterwerfung zu zwingen. Dieses Mal fügen sie sich demütig und sind klug genug, ihre Dörfer und Menschen vor Mord und Brand zu schonen, wußten sie doch, daß sich der Feind, von Verlusten geschwächt, bereits zurückzog und sie danach frei sein würden.

 

Berichte über den weiteren Verlauf des Rückmarsches zu Lande fehlen. Nicht nur die Römer vermeiden jeden Kampf. Auch ARMINIUS wird mit seinen dezimierten Truppen nichts Wesentliches mehr gegen sie unternommen und sich auf ihre Überwachung beschränkt haben. Er mag heilfroh gewesen sein, daß das letzte Treffen so und nicht anders ausgegangen war. Als die von GERMANICUS befehligten Schiffe auf ihrem Rückzug die Flußmündung passiert haben und ins offene Meer kommen, geraten sie in einen orkanartigen Sturm, der jede Steuerung unmöglich macht und die riesige Flotte völlig zersprengt. Ein großer Teil der Schiffe geht mit Mann, Roß und Wagen unter, andere Transporter zerschellen oder stranden an weit entfernten Inseln, vermutlich bis hin zur Westküste Schleswigs. Dort werden die Schiffbrüchigen von den Bewohnern entweder erschlagen oder als Sklaven verkauft. Jetzt rächt sich, daß man vorwiegend Flußschiffe konzipiert hatte, die der rauen Nordsee nicht standhielten.

 

Als einziges Schiff landet das Flaggschiff des Oberbefehlshabers, die seetüchtige Triere, an der frisischen Küste.

 

Tage- und nächtelang irrt GERMANICUS ruhelos an den Stränden umher, die mit Schiffstrümmern, ertrunkenen Legionären und Tierkadavern bedeckt sind – laut sein Unglück beklagend und sich selbst als Schuldigen verwünschend. Der Anblick wirkt auf ihn verheerender als eine verlorene Schlacht. Er fühlt sich so sehr vom Glück und von den Göttern verlassen, daß er in tiefste Depression verfällt und nur mit Mühe von einem Selbstmord im Meer zurückgehalten werden kann.

 

Noch nach Tagen treffen Reste der schwer havarierten Flotte ein. Sie bietet einen erbärmlichen Anblick: Die meisten Ruder sind verlorengegangen, die Steuerung ist oft nur notdürftig ausgebessert, anstatt der Segel zusammengeflickte Kleidungsstücke, viele ganz steuerlose Schiffe werden von noch seetüchtigen geschleppt.

 

Während die beschädigten Schiffe in aller Eile behelfsmäßig instandgesetzt werden, fahnden Suchstrupps an den mit Leichen, Trümmern und Ladungsresten bedeckten Stränden nach den vermißten Besatzungen, von denen nur noch wenige am Leben sind. Später erfährt man, daß manche der Schiffbrüchigen bis nach Britannien verschlagen wurden.

 

Die Sammlung der Restflotte muß viele Tage beansprucht haben. GERMANICUS kehrt mit erheblicher Verspätung nach einer entbehrungreichen, abenteuerlichen Fahrt und mehr wie ein geschlagener als ein siegreicher Feldherr in die rheinischen Garnisonen zurück.

 

Auch dieses Mal ersetzt er den Soldaten alles, was jeder an Verlust anmeldet. Wie viele den mit einem so enormen Aufwand an Menschen, Schiffen und Kriegsmaterial geführten Feldzug mit den Großschlachten von Idistaviso und am Angrivarier-Wall sowie der letzten Sturmkatastrophe nicht überlebt haben, ist nicht überliefert.

 

Die Verluste müssen aber so erheblich gewesen sein, daß selbst TACITUS ganz offen von einem höchst “widrigen Unglück” spricht. Dieses objektive Zugeständnis wiegt bei ihm besonders schwer.

 

Die Vermutung liegt nahe, daß die durch die sogenannte “Schiffskatastrophe” verursachten schweren Schäden besonders hoch angesetzt wurden, um über die blutigen Verluste der letzten Schlachten hinwegzutäuschen. Schließlich hatte GERMANICUS vor TIBERIUS die nicht abzuleugnende Tatsache zu rechtfertigen, daß er nur einen schwer angeschlagenen Rest des Heeres aus dem Feldzug zurückführen konnte und den Großteil der Flotte verloren geben mußte. So konnte er wenigstens “höhere Gewalt” dafür haftbar machen.

 

Diese Katastrophe – die zweite, die die Elemente verursachen – bedeuten für den ruhmsüchtigen Imperator das Ende seines Feldherrntraums. Noch versucht er zwar die erlittene Katastrophe zu überspielen. Kaum ist GERMANICUS wieder am Rhein, wird noch, bevor das Jahr endet, General SILIUS mit 30,000 Mann und 3,000 Reitern ohne jeden Kriegsgrund gegen die Chatten geschickt, um dort zu plündern, zu morden und um Gefangene zu machen. Er selbst fällt ins Gebiet der Marser ein und verwüstet deren Land, ohne auf Widerstand zu treffen. Hemmungslos muß er seinem durch so viele Nackenschläge verletzten eitlen Stolz durch Blut und Not Unschuldiger Genugtuung verschaffen – er handelt, maßlos in seiner Wut, nun ohne Sinn und Verstand.

 

Als der Marserfürst MALLOWENDUS, der sich ergeben muß, notgedrungen das Versteck des im Jahre 9 eroberten Adlers der 18. Legion des VARUS preisgibt, kann sich GERMANICUS keinen besseren Abschluß dieses an Erfolgen recht mageren dritten Kriegsjahres wünschen. Dann erst folgt er dem Drängen des ungehaltenen TIBERIUS und kehrt nach Rom zurück.