Arminius the Liberator

 

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FAQs

 

 

Die Wende

 

Starrsinnig will GERMANICUS den Krieg fortführen. Dem skeptischen TIBERIUS gegenüber stellt er den gerade beendeten Feldzug als Erfolg dar, den es durch eine letzte Aktion nur noch abzurunden gelte.

 

Aber der Kaiser winkt ab: Die Armee ist ihm viel zu kostbar, als daß er sie von dem jungen Hitzkopf in diesem gefahrvollen Land langsam aber sicher “verheizen lassen kann; jeder gefallene Legionär sei zuviel!

 

Zähneknirschend muß sich GERMANICUS dem kaiserlichen Spruch fügen. Neidete ihm TIBERIUS etwa seinen Ruhm? Hatte er denn nicht fast immer “gesiegt”? Ob er sich eingestand, daß er sich de facto “totgesiegt” hatte? Vielleicht hat ihm TIBERIUS, der weit größere Stratege, diese bittere Tatsache einmal schonungslos vorgehalten; zuzutrauen war es ihm.

 

Bei objektiver, kritischer Beurteilung erweist sich, daß GERMANICUS weder bei Idistaviso noch beim Agrivarier-Wall entscheidende Siege erfochten hat: Bei Idistaviso handelte es sich um eine mißlungene Durchbruchschlacht, am Agrivarier-Wall erkämpfte er sich nur den freien Rückzug. Von einem “glänzenden Sieg über die Barbaren zwischen Rhein und Elbe” konnte nicht im geringsten die Rede sein.

 

Für den Kaiser mag ein weiterer Hauptgrund des plötzlichen Abbruchs der GERMANICUS-Feldzüge gewesen sein, daß die Germanen inzwischen die Fähigkeit zu weiträumig koordiniertem Zusammenwirken erworben hatten. Gerade erst hatten die Marser, Chatten und Agrivarier, die zu ARMIN Bundesgenossen zählten, die am weitesten nach Osten vorgeschobenen, noch vorhandenen römischen Stützpunkte genau dann angegriffen, als GERMANICUS im Norden beschäftigt war. Diese Strategie ARMINs war nicht denkbar ohne ein hervorragend organisiertes und zuverlässig funktionierendes Nachrichtensystem, das erst ein kombiniertes Zusammenspiel der Kräfte ermöglicht.

 

Der Realpolitiker TIBERIUS befürchtet nach den neuerlichen Angriffen eine direkte Bedrohung der Rheinlinie. Wenn er den Germanen eine gemeinsam vorgetragene Offensive zutraute, so mußte er in Zukunft auch mit gemeinsamen Aktionen im Westen unter ARMINs Führung rechnen, die womöglich mit MARBOD im Südosten koordiniert sein könnten, um die römischen Armeen an zwei Fronten zu binden und einzeln zu schlagen.

 

Gerade die brutalen Dauerangriffe Roms auf ihre Freiheit hatten das völkische Zusammenheitsgefühl bei den Germanenstämmen ganz beträchtlich gesteigert und sie zu gemeinsamer Verteidigung zusammengeschweißt. Das bedeutete Gefahr für das römische Sicherheitsempfinden und war absolut nicht im Sinne des klugen Politikers und Taktikers TIBERIUS, der stets mehr durch Verhandlungen erreicht hatte. Er, der gewiefte Militär, hatte ganz klar erkannt, daß dieser schier endlose “Barbarenkrieg” die Kräfte des Imperiums übersteigen mußte und deshalb auch langfristig nicht zu gewinnen war.

 

Die verhältnismäßig geringen Erfolge einer nunmehr dreißig Jahre dauernden, horrende Menschen- und Materialopfer verschlingenden aggressiven Expansionspolitik waren einfach zu teuer erkauft, Einsatz und Erfolg standen in keinem Verhältnis mehr zueinander.

 

Von einer Vorverlegung der Ostgrenze an die Elbe war ab dem Jahr 16 nicht mehr die Rede. Roms Außenpolitik beschränkte sich in der Folgezeit darauf, die erreichten Positionen lediglich defensiv zu verstärken und West- und Ostgermanen durch Bündnisse zu binden.

 

Der Traum von einer römischen Provinz Germania war nüchterner politischer Klugheit und Bescheidung gewichen, er wurde aufgegeben. Es blieb bei der alten Rheingrenze.

 

Die “Wende an der Weser” – der plötzliche Abbruch der Kampfhandlungen – muß auf ARMINIUS wie ein Wunder gewirkt haben – ähnlich wie das Ende des Siebenjährigen Krieges 1762 auf FRIEDRICH DEN GROSSEN, das “Wunder an der Marne” 1914 auf die Franzosen und das “Wunder von Dünkirchen” auf die Briten.

 

Zu guter Letzt war doch er der Gewinner, wenn auch kein”Sieger”, als der sich jetzt GERMANICUS überschwenglich feiern ließ. Für ihn zählte die Tatsache, daß die römischen Armeen abgezogen waren, ohne ihr eigentliches Hauptziel weiter zu verfolgen. Dies war der Sieg – sein Sieg!

 

Der mit soviel persönlichem Einsatz und so großen Opfern geleistete Widerstand hatte sich gelohnt: Ganz allein auf sich gestellt, mit geringeren Kräften und schwächeren Waffen – nur mit der heimischen Natur verbündet – war sein Ziel, die verlorene Freiheit zu erkämpfen, schließlich von Erfolg gekrönt worden.

 

Wie mögen dagegen die Gefühle seines Gegners gewesen sein? Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, mußte sich GERMANICUS höchst unbefriedigt eingestehen, daß er nur Teilerfolge erreicht hatte – und nichts weiter.

 

Mit der Schlacht am Wall der Agrivarier hatte sich ARMINIUS mit letzter Kraftanstrengung und seinem unerschütterlichen Durchhalten als genialer militärischer Führer und Lenker großer Feldzüge hervorragend bewährt. Obwohl die Schwierigkeiten für ihn seit dem Jahr 14 immer gravierender geworden waren, hatte er sich von Fall zu Fall führungsmäßig zu hoher Feldherrnkunst gesteigert.

 

Um die Mißerfolge dem römischen Volk gegenüber zu kaschieren, genehmigte TIBERIUS seinem Adoptivsohn im Jahre 17 noch einen glanzvollen Triumphzug, mit dem dieser sich als großer “Germanenbezwinger” feiern ließ.

 

GERMANICUS stand in purpurroter, mit Goldsternen bestickter Toga und Golddiadem auf einem lorbeergeschmückten Kriegswagen, den seine fünf schönen Kinder zusätzlich zierten, ein strahlender Kriegsgott, dem die Massen frenetisch zujubelten – ein solches Siegesfest hatte es schon lange nicht mehr gegeben: diese verdammten Germanen endlich, endlich bezwungen!

 

Sicherlich trug bei diesem glanzvollen Spektakel die demütige Zurschaustellung der gefangenen Frau des verhaßten ARMINIUS mit ihrem dreijährigen Söhnchen vor den sensationslüsternen Augen des römischen Straßenpöbels ganz erheblich zu seiner Verherrlichung bei.

 

Im Festzug mitgeführt wurden Kriegsgefangene in Ketten, darunter germanische Edle mit ihren Frauen und Priester; ferner erbeutete Waffen und Feldzeichen, Nachbildungen von germanischen Bergen, Flüssen und Schlachten – wohl im Stil von Theaterkulissen – und allegorische dekorative Gruppierungen auf Wagen und Tragegerüsten.

 

Auf soviel Glanz folgt um so härter die Enttäuschung. Nach dieser noch sehr großartigen Geste entzieht der Kaiser dem GERMANICUS das Oberkommando am Rhein. Schließlich weist er ihm ein konsularisches Amt im fernen Orient und in Ägypten zu, wo er praktisch politisch und militärisch kaltgestellt ist – ein schwerer und demütigender Schlag, den er nie ganz verwinden kann.

 

Während seiner Amtszeit zieht er sich wegen etlicher politischer Eigenmächtigkeiten erneut schärfsten Unwillen und den Tadel des Kaisers zu.

 

Als er nach einer längeren Reise in seinen Amtsitz in Antiochia zurückkehrt, findet er alle seine Anordnungen, die er in den Garnisonen und Städten getroffen hatte, außer Kraft gesetzt oder in ihr Gegenteil verkehrt. Dahinter stand Syriens intriganter Statthalter PISO, der ihm dauernd Schwierigkeiten bereitete und ihm mit offener Feindschaft begegnete. Es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen beiden. Bald darauf erkrankt GERMANICUS an Gift und stirbt am 10. Oktober 19, zermürbt durch infame Intrigen und den andauernden psychischen Terror PISOs gegen ihn und seine Familie, im Alter von erst 33 Jahren.

 

Nach seinem frühen Tod hieß es, er sei als Feldherr kein geringerer als ALEXANDER DER GROSSE gewesen, der ebenso jung – ebenfalls mit 33 Jahren – den Tod gefunden hatte. Nur weil ihm dessen Kriegsglück gefehlt habe, sei er daran gehindert worden, ARMINIUS und Germanien zu bezwingen. Auch hieß es, dem Kaiser hätten sein leutseliges Wesen und sein überaus soziales Verhalten zutiefst mißfallen und dessen Neid erregt. Man habe ihn beseitigt, weil er sozialpolitische Ziele, die der Regierung unerwünscht waren, hätte durchsetzen wollen – wie zum Beispiel dem römischen Volk mehr demokratische Freiheiten zu gewähren. Fürchtete TIBERIUS, eines Tages von dem jungen, vergötterten Volksliebling verdrängt zu werden?

 

An posthumen Ehrungen des allzu früh dahingegangenen Heldenidols fehlte es nicht. Drei Triumphbögen, ein prunkvolles Grabmal, ein Katafalk, unzählige Standbilder, eine goldene Büste und ein Ehrenplatz im Theater sorgten zunächst für Nachruhm. Doch geriet dies alles allmählich in Vergessenheit. PISO, der Gegenspieler, wurde als mutmaßlicher Mörder angeklagt. Obwohl ihm selbst keine direkte Schuld nachgewiesen werden konnte, entzog er sich der allgemeinen Verachtung durch Selbstmord.

 

Trotz aller Verehrung durch Zeitgenossen und spätere Historiker bleibt GERMANICUS eine tragische Figur, nicht anders als sein fast im gleichen Alter durch Mord umgekommener Todfeind ARMINIUS. Diesem wurden freilich keine triumphalen Ehrungen zuteil, obwohl gerade er sie verdient gehabt hätte. Jedoch blieb sein rühmliches Andenken noch viele Generationen lang liebevoll in den Herzen und Liedern seines Volkes erhalten, was wohl weit schwerer wiegt als der überzogene pompöse Nachruhm des GERMANICUS.