Arminius the Liberator

 

Screenplay under Option

FAQs

 

 

Ingomer

Nach dem Tod des Cheruskerherzogs SIGIMER war ARMINIUS dessen natürlicher Nachfolger. Da er seit Jahren in römischen Diensten stand und als Präfekt einer Auxiliar-Einheit gebunden war, mag sich sein Onkel INGOMER als nächster Anwärter gewisse Hoffnungen auf die Herzogswürde gemacht haben. Als nun, vielleicht auf eine Todesnachricht hin, ARMINIUS im Jahre 7 heimkehrt, schwindet seine Hoffnung, denn dieser Neffe gibt sich trotz seines noch jugendlichen Alters (ARMINIUS ist damals etwa 23 – 25 Jahre alt) sehr selbstbewußt, scheint der geborene Soldat und Volksführer zu sein und läßt keinen Zweifel aufkommen, das Erbe seines Vaters antreten zu wollen.

INGOMER hat wie die ganze “Sig”-Sippe zunächst dem prorömischen Flügel angehört und galt für die Römer zusammen mit Segestes als eine der verläßlichsten cheruskischen Führungspersönlichkeiten. Sein Verhältnis zu seinem Neffen, der mit hohen römischen Titeln und Kriegsorden ausgezeichnet ins Land seiner Väter heimkehrt, wird sicherlich anfangs herzlich gewesen sein. Vielleicht hat er diesen weltgewandten und gebildeten Brudersohn sogar insgeheim bewundert.

Als jener jedoch wie selbstverständlich die Initiative der Gesamtführung ergreift und kein Hehl aus seiner politischen Einstellung macht, wird sich bei ihm Besorgnis um seine Anwartschaft auf SIGIMERs Nachfolge, gepaart mit Neidgefühlen eingestellt haben. Es wurmt den Älteren, einsehen zu müssen, daß ihm der Jüngere an Bildung, Intelligenz, militärischer Erfahrung und durch sein mitreißendes Charisma weit überlegen ist.

Während der VARUS-Schlacht und sogar noch danach verhält er sich neutral, um sich ähnlich wie SEGESTES für alle Fälle eine Tür offenzuhalten. Erst später, in Jahr 15, als ARMINs Frau THUSNELDA von Germanicus als Gefangene nach Ravenna entführt wird und ARMINIUS im ganzen Lande mobil macht, kann er sich der allgemeinen Volksstimmung nicht entziehen und muß sich solidarisch erklären. Er schließt sich mit seiner Gefolgschaft dem Neffen an, ohne sich freilich direkt unterzuordnen. Das mußte früher oder später zu Konflikten führen.

Zwischen den Zeilen der römischen Quellen klingt heraus, daß INGOMER, der oft unbeherrscht dreinschlagende Haudegen, ARMINIUS jedoch der bedächtige, vorausplanende Stratege ist, der nichts unbesonnen unternimmt und genau jeden Schritt vorbereitet. Da mag es zwischen so verschiedenen Temperamenten schon häufig zu Meinungsstreitigkeiten gekommen sein, weil sich der Ältere manchmal halsstarrig, rechthaberisch und undiszipliniert verhält – der Jüngere dann aufgrund seiner größeren Kompetenz den gebührenden Takt vermissen läßt. Eigenbrötelei und Rivalität aber haben sich innerhalb der Kriegsführung nie ausgezahlt. Dabei könnten beide Männer – ein jeder, für sich genommen, ein prächtiger Kriegertyp – ein geradezu ideales Führergespann sein, ähnlich wie es 1800 Jahre später der kühle Planer GNEISENAU und der feurige “Marschall Vorwärts” BLÜCHER, gewesen sind.

Im Sippenverband als blutsverwandte Kampfgefährten gegen einen gemeinsamen Feind aufs engste aufeinander angewiesen, fechten beide in den GERMANICUS-Kriegen vorbildlich stets in vorderster Linie.

Trotzdem muß es immer wieder zu erneuten Spannungen und immer öfter auftretender Rivalität gekommen sein, die dann während zum Teil schwerer taktischer Fehler zu unnötigen blutigen Verlusten führten. Seitdem ist ihr Verhältnis gespalten. Es ärgert den Älteren, daß er stets nur die zweite Rolle spielt, während ARMINIUS zum hochverehrten Idol aller Cheruskerkrieger aufgestigen ist. INGOMER hält es für unter seiner Würde, sich weiterhin ruhmlos unterzuordnen.

Als es zuletzt um die Vorherrschaft zwischen den beiden Rivalen ARMINIUS und MARBOD geht, hat sich die Entzweiung zwischen Oheim und Neffen so vertieft, daß es zum Bruch und zu einem besonders treulosen und verräterischen Akt INGOMERs kommt: Er geht mit seinen Gefolgsleuten zur Gegenseite, zu König Marbod über. Der Grund hierfür ist nicht nur die vermeintliche Zurücksetzung und sein verletzter Stolz allein, sondern auch Neid, Mißgunst, ja, Haß gegen ARMINIUS, der seinen hochfliegenden, hinterhältigen Plänen im Wege steht. Er will MARBOD in der Entscheidungsschlacht zum Sieg verhelfen! Ist ARMINIUS dann ausgeschaltet, hofft er mit Hilfe des ihm zu Dank verpflichteten Königs – dem dann mächtigsten Führer in Germanien – endlich die von ihm angestrebte, aber nie erreichte Herzogswürde zu erlangen. Weder engste Blutsbande noch die Bindung gemeinsam erlebter und erlittener Kampfkameradschaft konnten INGOMER, diesen von Neid, Unduldsamkeit und Opportunismus zerfressenen Mann, davon abhalten, seinen Neffen und einstigen Kriegsgefährten auf gemeinste Art zu verraten, indem er zu dessen Rivalen überging.

Im nun ausbrechenden, unvermeidlichen Bruderkrieg im Jahr 17 wird er von MARBOD vor dessen Heerbann über ARMINIUS erhoben, indem jener behauptet, alle kriegerischen Erfolge seien in Wahrheit INGOMERs Verdienste gewesen, während sich ARMINIUS lediglich mit fremden Federn geschmückt habe!

Wie sich die beiden Cherusker in dem als “unentschieden” bezeichneten Endkampf verhalten haben, ist leider nicht überliefert. Haben sie sich in der Schlacht gesucht und wie antike Helden im ritterlichen Zweikampf gegeneinander die Klingen gekreuzt? Wahrscheinlicher ist, daß sie ein peinliches Zusammentreffen vermieden.

Wenn INGOMER die Schlacht, die irgendwo nördlich von Böhmen stattgefunden hat, überlebt haben sollte, hat er wohl – da für ihn eine Rückkehr ins Cheruskerland nun unmöglich ist – den nicht mehr kampffähigen MARBOD auf dessen Rückzug in seine Gebirgsfestung mit dem Rest seiner Mannschaft begleitet. Die erhoffte Herzogswürde hatte er sich nun durch sein schurkisches Spiel völlig verscherzt. Es liegt aber der Gedanke nahe, daß sein unversöhnlicher Haßneid, der ihn wie auch MARBOD in gleich perfider Weise beherrschte, den Neffen noch weiter verfolgte, wo er nur konnte.

Es ist dadurch möglich, daß er vier Jahre später an den schmählichen Intrigen direkt oder indirekt beteiligt war, die zur Ermordung des ARMINIUS führten, da überliefert ist, daß eigene Familienmitglieder dessen frühen Tod verursachten.

Die Geschichte des INGOMER ist ein trauriges Beispiel für die Charakter- und Skrupellosigkeit eines Menschen, dem man den heimtückischen Meuchelmord an ARMINIUS ohne weiteres zutrauen darf.

Die Zwietracht, der Germanen schlimmstes Übel, zeigt sich somit als Hauptfeind des tapferen Freiheitskämpfers ARMINIUS. Auch wenn wir Deutsche heute keine Germanen mehr sind – in unserem Wesen steckt immer noch viel von dieser unserer negativsten Eigenschaft: nämlich, daß wir “uns selbst stets die ärgsten Feinde” waren und noch immer sind; das hatten bereits CAESAR, TIBERIUS, RICHELIEU, NAPOLEON und die Sieger von 1945 sehr wohl erkannt und zu ihrem Gewinn genutzt. Und: Es haben sich zu allen Zeiten stets Verräter gefunden…