Arminius the Liberator

 

Screenplay under Option

FAQs

 

Tiberius

TIBERIUS Claudius Nero stammte aus der alten römischen Adelsfamilie der Claudier und war der adoptierte Stiefsohn des AUGUSTUS, ein älterer Bruder des im Jahr 9 verstorbenen DRUSUS. Er wurde im Jahre –42 geboren und starb im Jahr 37. Von 14 bis 37 war er römischer Kaiser. (1)

(1) AUGUSTUS hatte in seinem Testament seinen Stiefsohn TIBERIUS zu seinem Haupterben eingesetzt. Sieben Zwölftel des Vermögens gingen an ihn; damit wurde TIBERIUS zum damals reichsten Mann der Welt.

Er wird als hochgewachsener, kräftiger Soldatentyp geschildert, von strengem Aussehen und schwer zugänglicher und mißtrauischer Wesensart. Ein besonderes Gespür hatte er für die Schwächen der Menschen, die er dann nicht ohne Tücke gegeneinander ausspielte. Sein Leben war voller Ränke und Skandale. Solange AUGUSTUS lebte, war er dessen Mitregent und Miteinhaber der tribunizischen Amtsgewalt. Das von AUGUSTUS geschaffene Kaisertum, das “Prinzipat”, war eine Art konstitutioneller Monarchie, in der sich Kaiser und Senat die Regierungsgewalt teilten. Der CAESAR selbst besaß starken Einfluß auf die Legislative. Er konnte über sämtliche in der damaligen Welt stehenden römischen Streitkräfte verfügen und damit über Krieg und Frieden entscheiden. Zu seinem persönlichen Schutz standen ihm 9 Prätorianer-Gardekohorten zu je 500 Mann als Leibwache zur Verfügung. Offenbar hatte er diese 4,500 Mann nötig…

Schließlich war er auch der oberste Priester, der Pontifex Maximus, der Vermittler zwischen seinem Volk und den Göttern. Sein offizieller Titel war Imperator, der ursprünglich dem Feldherrn nur von seinen Soldaten verliehen wurde.

Nero Claudius DRUSUS, der jüngere Stiefbruder des TIBERIUS, ein strahlender jugendlicher Kriegsheld, war durch seine weitreichenden Feldzüge ins Innere Germaniens berühmt geworden und im Jahr 9 bis an die Elbe vorgedrungen. Durch einen unglücklichen Sturz vom Pferd verletzte er sich so schwer, daß er sich nicht mehr davon erholte. Damals eilte TIBERIUS sofort aus Rom herbei, überquerte die Alpen und ritt Tag und Nacht 300 km, nur von seinem germanischen Kundschafter begleitet, durch das gefährliche Germanenland, um seinem sterbenden Bruder die letzte Ehre zu erweisen. Als DRUSUS starb, war er erst 30 Jahre alt.

Nun übernahm TIBERIUS den Oberbefehl über das Heer, führte den Feldzug glücklich zu Ende und wurde in Rom mit dem Konsulat und einem Triumphzug geehrt.

Sein Kriegsberichterstatter VELLEIUS PATERCULUS, ein Offizier aus seinem Stab, schrieb, daß Germanien fast eine römische Provinz geworden sei. Das gesamte Gebiet zwischen Rhein und Elbe einerseits und der Nordsee und dem Erzgebirge andererseits wurde schon damals als eine Provinz im Vorstadium einer militärischen Besatzungszone betrachtet, obwohl dieser Raum noch keineswegs romanisiert war.

Bei Anführern fremder Völkerschaften, die er unterwerfen wollte, versuchte er erst einmal mit Diplomatie und schmeichelnden Versprechungen sein Ziel zu erreichen, statt von vornherein militärische Gewalt anzuwenden. In diesem Punkt unterschied er sich wesentlich von seinem Neffen GERMANICUS.

Im Jahre 8 führte TIBERIUS eine Zwangsumsiedlung von 40,000 rechtsrheinischen Sugambrern (Stamm zwischen Sieg und Ruhr) durch, weil er diese als besonders gefährlich ansah.

Die adelige Führungsschicht wurde unter einem tückischen Vorwand versammelt, danach überwältigt und in Ketten auf das linksrheinische Ufer deportiert. Soweit man sie nicht als integrierbar ansah, wurde sie zerschlagen. Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten bediente sich TIBERIUS hier der grausamen Methoden eines G.J. CAESAR.

Ab dem Jahre 4 unterwarf er vier der nordwestgermanischen Stämme, darunter die Cherusker des Herzogs SIGIMER. Im folgenden Jahr zog er gegen etliche Nordseegermanenvölker und entmachtete sie.

Einer seiner militärischen Meisterleistungen war ein kombiniertes Heer-Flotte-Unternehmen – wohl das erste seiner Art – mit gemeinamem Treffpunkt, eine Strategie, wie sie sein Neffe GERMANICUS später gleichfalls praktizieren wollte, aber gegen Arminius nicht voll durchführen konnte. Damals hat TIBERIUS möglicherweise sogar die Ostsee kennengelernt.

Durch seine zahlreichen Feldzüge in Germanien hatte er viele Erfahrungen gesammelt und war ein vorzüglicher Kenner des Landes, seiner Bewohner und deren Mentalität. VARUS hätte von ihm lernen sollen.

Schon früh erkannte TIBERIUS das Grundübel der Germanen, ihre Uneinigkeit. Er hatte die einheimische Führungsschicht, die oft tief untereinander zerstritten war, besonders gut kennengelernt. Andererseits hat er früher als jeder andere die Gefahr, die dem Imperium aus dem Norden drohte, vorausgesehen und war deshalb von schwerer Sorge um dessen Fortbestehen erfüllt.

Im Jahre 6 unternahm er vom Rhein und von der Donau aus mit einem Massenaufgebot von 12 Legionen und zahlreichen Hilfskorps – insgesamt 150,000 Mann – einen konzentrierten Zangenangriff auf den Markomannenkönig MARBOD, dessen stehendes Heer von 74,000 Mann die ausgedehnte und lückenhafte Donaugrenze ernstlich bedrohte.

Noch während des Aufmarsches mußte er jedoch die Operation wegen eines hochbedrohlichen Aufstandes in Pannonien und Illyrien (Ungarn-Dalmatien-Balkan) abrupt abbrechen und ist fast vier Jahre an dieser südöstlichen Front fest gebunden – ein Umstand, der MARBOD vor einer wahrscheinlichen Niederlage bewahrt und erst die Voraussetzung für die Befreiungstat des ARMINIUS schafft.

Als sein Neffe GERMANICUS während des Balkankrieges als junger Offizier in seinem Stab Dienst tat, hat jener gewiß von der klugen Strategie seines Oheims, aber weniger von dessen Diplomatie gelernt. Wie es sich anfangs um das menschliche Verhältnis zwischen beiden verhielt, wissen wir nicht. Es scheint, als hätte TIBERIUS nie allzu viel von dem jungen Mann gehalten. Als dieser nach drei sehr aufwendigen Kriegszügen in Germanien praktisch keine durchschlagenden Erfolg erringen konnte, schickte er ihn im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste…

Nach Beendigung des Balkanfeldzuges (6 bis 9) sicherte er als Reaktion auf die Niederlage des VARUS schnellstens die Rheinfront gegen mögliche Germanenüberfälle, indem er die Anzahl der Legionen auf acht erhöhte. Vier Legionen bildeten das niedergermanische und vier Legionen das obergermanische Heer. Gleichzeitig mit dieser Neugruppierung verstärkte er die älteren Kastelle und legte neue an.

Währenddessen unternahm er einige schwächere Vorstöße ins rechtsrheinische Vorfeld, die aber keinerlei besondere Wirkung zeigten. Auf ARMINIUS machten sie keinen Eindruck, er ließ sich nicht provozieren.

Nach dessen Sieg hatten die Germanen wieder mit ihren inneren Schwierigkeiten zu tun.

Weder die Markomannen noch die Nordsee- und Elbgermanen waren einem von Rom befürchteten Aufruf gefolgt, in gemeinsamer Offensive von Westen, Norden und Südosten gegen Rom vorzugehen. Der stets von TIBERIUS erwartete und gefürchtete germanische Großangriff auf die Rheinfront blieb aus.

So benutzte der die Gelegenheit augenblicklicher Ruhe, um durch die riesigen Waldgebiete gewaltige Straßenschneisen anzulegen, die als künftige Anmarschwege in Richtung Osten dienen konnten, ein Indiz dafür, daß er wie einst AUGUSTUS noch an der Expansionspolitik festhielt.

TIBERIUS war ein hervorragender und vorbildlicher Truppenführer, bei dem sich militärisches Geschick und Härte mit der Geschmeidigkeit eines vollendeten Diplomaten in idealer Weise verbanden. Stets stellte er das Urteil des nüchternen Verstandes über oberflächliche Ruhmsucht. Einem vereinten Feind ging er aus dem Weg – einen einzelnen griff er an. Im Kriegsrat beriet er sich gründlich, jedoch entschied er sich selten für einen Plan, den alle befürwortet hatten, sondern folgte meist seinem eigenen Urteil.

Obwohl man ihm Strenge und sogar Grausamkeit nachsagte – die Fürsorge für seine Soldaten war vorbildhaft. Er schonte sich selbst nicht, ließ sich nie fahren oder in einer Sänfte tragen, sondern saß stets im Sattel. Er erwartete und verlangte Selbstdisziplin, auch von seinen Unterführern. Er schalt oft laut, aber strafte selten. Er kümmerte sich um jede Kleinigkeit und lebte so einfach wie seine Legionäre; diese gaben ihm, von dem es hieß, er sei dem Wein sehr zugetan, den witzigen Spitznamen “Biberius” (v. bibere = trinken).

Befehle gab er nur schriftlich, aufkommende Unklarheiten bei seinen Offizieren hatten diese zu melden, um sie sofort zu bereinigen. Manneszucht in der Truppe stand bei ihm ganz oben an, und er wachte streng darüber, daß sie eisern eingehalten wurde. Unter seinem Neffen GERMANICUS war meist das Gegenteil der Fall.

Diese unzweifelhaft lobenswerten soldatischen Eigenschaften stehen in krassem Gegensatz zu seinen sonstigen Wesenszügen, die durchweg als unsympathisch, ja als pervers geschildert werden.

Seine besondere Fürsorge galt der öffentlichen Sicherheit. Als in Italien Straßenräuberei und Kriminalität überhand genommen hatten, verstärkte er die Militär- und Polizeistationen. Sehr energisch und drastisch reagierte er auf Volksaufstände, die er rücksichtslos niederschlug.

Als der alternde AUGUSTUS zu kränkeln begann, kehrte TIBERIUS nach Rom zurück, um nach dessen Tod anwesend zu sein. Noch bevor der Kaiser starb, hatte dieser im Jahr 13 dem jungen Prinzen GERMANICUS, dem Sohn des berühmten älteren DRUSUS, das Oberkommando über die acht Rheinlegionen übergeben, um die kaiserliche Nachfolge abzusichern.

Dies erregte das Mißtrauen des TIBERIUS, der im Jahr 14 Nachfolger des AUGUSTUS geworden war. Die argwöhnische Skepsis, die er dem Neffen, aber auch dessen Frau AGRIPPINA entgegenbrachte, entsprang der Furcht, daß GERMANICUS als Herr über derart viele Legionen und Hilfskontigente, zudem ein Volksliebling und Abgott des Heeres, ihm eines Tages die kaiserliche Macht entreißen könnte.

Diese Absicht hat GERMANICUS jedoch nie gehegt – im Gegenteil: Als ihn nach den schweren Meutereien in den rheinischen Standlagern im Jahr 14 die Soldaten bedrängten, sich selbst anstelle seines ungeliebten Oheims als Kaiser ausrufen zu lassen, widerstand er mannhaft der Versuchung.

Trotzdem hat die Eifersucht, verbunden mit einem starken Neidgefühl dem jungen Feldherrnidol gegenüber, den TIBERIUS nie verlassen, doch ließ er sich dies nicht anmerken

Später scheinen immer öfter Spannungen aufgetreten zu sein; ihm erschienen die sogenannten “Siege” des Neffen allzu teuer erkauft. Da er selbst durch Verhandlungen und Diplomatie stets mehr erreicht hatte, beurteilte er die blutigen Rachefeldzüge höchst kritisch. Mehrmals versuchte er GERMANICUS auf dem Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn von seinem Posten zurückzubeordern, ehe dieser noch größere Schlappen erlitt.

Der Kaiser mochte wohl die gleiche Ansicht vertreten wie Preußenkönig FRIEDRICH II, der für „officiers sans fortune” keine Verwendung hatte und schlicht ohne Ansehen ihres Standes gnadenlos den Dienst quittieren ließ.\

Der alterfahrene Germanenkenner begründete nach Abberufung des glücklosen Feldherrn im Jahr 16 seine veränderte Germanenpolitik mit der Äußerung: “Man überlasse die Germanen getrost fortan sich selbst und ihrer Zwietracht, ihrem ärgsten Feind. Es wird sich erweisen, daß sie, nachdem sie sich frei von Furcht vor fremder Macht fühlen, die Waffen gegen sich selbst erheben und sich wie in der Arena zerfleischen werden.” (2)

(2) Ganz ähnlich äußerte sich GOETHE 1815 nach dem Sturz NAPOLEONS: “Es ist Art der Deutschen, sobald sie von fremdem Druck sich befreit fühlen, unter sich zu zerfallen.” Durch den Sieg wurde die Zerstrittenheit nicht beendet, sondern für weitere Jahrzehnte festgeschrieben.

Die Geschichte gab ihm sehr bald recht. Schon ein Jahr danach stehen sich irgendwo nördlich von Böhmen die Heere des ARMINIUS und des MARBOD in offener Feldschlacht gegenüber. Man brauchte gar nicht weiter in Germanien Kriege zu führen! Das besorgten die Germanen mit größter Tüchtigkeit und Gründlichkeit ohnehin viel besser unter sich und gegeneinander! Rom konnte sich mit gutem Gewissen zurückziehen und sich darauf beschränken, von Rheinund Donau aus das freie Germanien zu beobachten und zu kontrollieren, ohne dort selbst intervenieren zu müssen und ohne sich dabei die Hände blutig zu machen.

Während seiner Regierungszeit (14 – 37) verwaltete TIBERIUS das Reich vorbildlich und verantwortungsvoll. Seine bemerkenswerte außenpolitische Entscheidung, zukünftig keine Eroberungskriege mehr zu betreiben, entsprach weiser Einsicht und nüchterner Erkenntnis, die ganz zu ihm paßte: Er wußte genau, daß man zwar Kriege militärisch führen, sie aber nur politisch gewinnen kann. Hierbei ließ er sich von dem richtigen Gedanken leiten, daß man eine Elbe-Donau-Grenze gegenüber der unbekannten Weite des Ostens und der Stärke dieser jungen, zahlreichen germanischen Völkerschaften nur mit einem Aufgebot gewaltiger Truppenmassen hätte auf die Dauer halten und sichern können. Dazu wäre noch – wie bereits in Gallien – eine zusätzliche riesige Besatzungsarmee für das Hinterland nötig gewesen. Dies alles war einfach nicht mehr machbar.

Gerade hinsichtlich Galliens hatte sich die Aufgabe aller Annexionspläne als notwendig erwiesen: Dort kam es immer wieder zu schweren Empörungen über zu hohe Abgaben, Steuern und Willkürakte der römischen Verwaltung; denn die Bewohner hatten mit die größten finanziellen und materiellen Lasten der GERMANICUS-Kriege zu tragen gehabt. Es hatte sich gezeigt, daß das seit den Tagen des G.J. CAESAR vollständig romanisierte Land noch keineswegs sich selbst überlassen bleiben konnte, sondern weiterhin der militärischen Präsenz und Kontrolle bedurfte.

Ein weiterer Grund für den Abbruch der Unternehmungen gegen die Germanen im Norden wird bestimmt auch in den gewaltigen Belastungen zu suchen sein, die Rom aus den gefährlichen Konflikten mit den nie besiegten Parthern (Iranern) im äußeren Osten erwuchsen.

Der uralte Anspruch auf Alleinherrschaft in der damaligen Welt , von der Rheinmündung über die Donau bis an den Kaukasus, vom Ozean bis zum Euphrat und Roten Meer, vom oberen Nil bis zur Sahara zu herrschen, geriet schließlich zum Verzicht.

Das riesige Reich mit seinen endlosen Grenzen war weit überfordert. In Zukunft beschränkte es sich schlicht auf die Erhaltung des Gewonnenen. “Keine Experimente, kein Risiko, Sicherheit” war die Devise des TIBERIUS.

Als Rom nach den zahllosen, rund vier Jahrhunderte währenden Kriegen und Gewaltanstrengungen seinen Alleinanspruch auf die Weltherrschaft noch aufrechtzuerhalten suchte, war es nicht imstande, das gewaltige Werk vieler Römergenerationen mit der Einbeziehung der Gebiete bis zur Elbe abzuschließen. Germaniens Kernlande blieben von Besetzung und Unterwerfung verschont, und seine Bewohner konnten sich Heimat, Freiheit und naturverbundenes Eigenleben in bäuerlicher Kultur erhalten.

Dies war vorwiegend das Verdienst des ARMINIUS. Er war es, der die Voraussetzung geschaffen hatte. Der Zauderer und Verweigerer MARBOD hat daran keinen Anteil.

Es wäre interessant zu erfahren, was TIBERIUS über Arminius gedacht haben mag. Eine direkte Aussage ist leider nicht überliefert. Wenn er ehrlich urteilte, mußte ihm, dem gestandenen Troupier, eigentlich dieser “Barbar” mit römischer Bildung große Bewunderung abgenötigt haben.

Er hat ihn wohl auch gefürchtet, weil er ihm noch mehr zutraute. Seine militärischen Reaktionen zeigen das deutlich.

Ebenso zwiespältig wird TIBERIUS in den Augen des ARMINIUS erschienen sein: Bewunderung für den erfahrenen und erfolgreichen Strategen einerseits – andererseits, nach seinen Wertvorstellungen, ein einsamer und sittlich verkommener, grausamer Mann.

TIBERIUS’ Verhältnis zum König der Markomannen, MARBOD, seinem anderen großen Feind, der seine Hilfe erbittet, als er politisch am Ende ist, zeigt sich in der Versagung jeglicher Unterstützung. TIBERIUS schätzte zwar gewiß den nützlichen Verrat, nicht aber den Verräter, den er fallen läßt, als er ihm nichts mehr nützt.

Bezeichnend für seine Einstellung gegenüber treuen Bündnispartnern ist sein überraschendes Verhalten, als bei den mit Rom schon lange befreundeten Friesen ein wilder Aufstand losbricht. Weil für ihre Abgaben von Rinderhäuten die Größe des Fells eines Auerochsen als Norm angerechnet wird – was bei der Kleinwüchsigkeit der germanischen Rinder völlig unmöglich ist -, rebellieren sie. Ein gegen den Aufruhr eingesetztes römisches Truppenkontingent wird geschlagen, das friesische Gebiet geht verloren.

Seltsamerweise unternimmt TIBERIUS nichts, er untersagt sogar die Veröffentlichung der Verlustzahlen und wünscht keine Fortsetzung der Kampfhandlungen. Es würde zu ihm passen, wenn er den Verursacher dieses törichten Befehls – einen langgedienten Stabsoffizier, der in Friesland das Kommando innehatte – wegen der hohen blutigen Verluste sogar empfindlich gemaßregelt hätte. Ihm selbst, der dieses Volk seit der Zeit des DRUSUS gut kannte, wäre dieses Ungeschick niemals unterlaufen.

Über das Wesen des TIBERIUS ist bekannt, daß er seine Gefühle und seine Gesinnung völlig zu verbergen trachtete. Als ein Meister der Verstellungskunst und Heuchelei wirkte er undurchschaubar. Er wird als wenig entgegenkommend, als schroff, mißtrauisch, verschlagen, streng und eiskalt geschildert. Viele fürchteten ihn, weil ihm ein Hang zu außerordentlicher Grausamkeit nachgesagt wurde. Eigene Verfehlungen verhüllte er äußerst geschickt – ein Mann, der über Leichen ging … Nie handelte er gedankenlos, sondern stets mit klarer Überlegung – ein Mann mit scharfem Verstand und ein kühler Rechnertyp; hierin glich ihm ARMINIUS.

Sich wie der verstorbene AUGUSTUS als Gott verehren zu lassen, wies er weit mit der Begründung von sich, für ein sterbliches Wesen sei dies eine Vermessenheit. Dem Kult seiner Person und übertriebenen Ehrenbezeichnungen stand er ablehnend gegenüber. Jeglicher Aufwand war ihm zuwider, und doch konnte er sich durchaus spendabel zeigen, wenn es seinem Ruf nützte.

Mit zunehmendem Alter zog er sich zunächst in die Abgeschiedenheit Campaniens zurück, um sich allen möglichen Lastern und den seit seiner Jugend bekannten Grausamkeiten um so ungestörter widmen zu können und “um nicht in Rom öffentlich zu morden”, denn Folterungen und sadistische Quälereien waren bei ihm an der Tagesordnung. Bei vielen, die ihn genau kannten, galt er als Inkarnation des Bösen schlechthin.

TIBERIUS schämte sich seines Alters. Einst von stattlicher Figur, ging er jetzt gebückt wie ein Greis. Dazu war er völlig kahl, sein Gesicht ständig voller Ausschlag und meist mit zahlreichen Pflastern bedeckt. Wahrscheinlich hatte er die Syphilis.

Als er sich später in die Abgeschiedenheit der Insel Rhodos zurückzieht, begleitet ihn ein sehr kleines Gefolge. Nur ein Senator, ein Jurist, der Kommandeur der Leibgarde und ein hochrangiger Ritter, dazu etliche hochgebildete Wissenschaftler, allesamt Griechen, umgeben ihn. Elf Jahre bleibt TIBERIUS Rom fern, wo so mancher auf seinen Tod gehofft hatte.

Danach übersiedelt er, verbittert über die Gegnerschaft des Senats, noch einmal nach seiner Lieblingsinsel Capri.

Dieses felsige Eiland schätzte er sehr wegen seines milden Klimas. Dort gab es nur einen kleinen Landeplatz, der von einer Küstenwache genauestens kontrolliert wurde; hier fühlte er sich sicher vor Anschlägen. Zusätzlich richtete er ein geheimes Spitzel- und Nachrichtensystem ein; so blieb ihm nichts verborgen. Auf Capri besaß er ein Dutzend luxuriöser Villen, wo er sich seinen zahlreichen Ausschweifungen und Liebhabereien hingab. Die laufenden Regierungsgeschäfte erledigte er nur am Rande und überließ fast alles seinem Günstling Aelius SEIANUS, dessen unheilvollen Einfluß er erst spät durchschaute.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen fürchtete er stets die Intrigen seiner Familie und verhielt sich dieser gegenüber besonders vorsichtig und mißtrauisch.

Ab dem Jahr 36 verschlimmerte sich sein gesundheitlicher Zustand zusehends; er verfiel dem Siechtum und fühlte sein Ende nahen. Trotzdem ließ er nicht von seinem ausschweifenden Lebenswandel ab und verspottete die Ärzte. Noch kurz vor seinem Tod versuchte er, den unübersehbaren körperlichen Verfall zu verdecken.

Als danach ein Großteil des Avenins und ein berühmter Circus in Rom abbrannten, stiftete er großzügig 100 Millionen Sesterzen, was ihm beim Volk viel Sympathie eintrug. Er wollte sich damit ein gutes Gedenken nach seinem Tod bewahren.

Als man ihn auf seinem Krankenlager für tot hält und CALIGULA, der Sohn des GERMANICUS, schon als Nachfolger beglückwünscht wird, erholt er sich noch einmal zum Entsetzen aller, die seinen Tod sehnlichst herbeiwünschen. Schließlich läßt der Präfekt der Leibgarde den Todkranken unter der Last etlicher Wolldecken ersticken. So würdelos stirbt Kaiser TIBERIUS am 16. März des Jahres 37, im Alter von 79 Jahren.