Arminius the Liberator

 

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FAQs

 

 

Die Autoren

 

CORNELIUS TACITUS

VALLEIUS PATERCULUS

DIO CASSIUS

STRABON

SUETONIUS

FLORUS

Quellen

Bildquellen

 

Bei jeder Bewertung der antiken Quellen, die die Epoche des ARMINIUS behandeln, muß berücksichtigt werden, wer schreibt, wann er schreibt, und wie der betreffende Schriftsteller die Dinge sieht und schildert.

 

Allen gemeinsam ist, daß sie als Römer – verständlicherweise – die Ereignisse aus der Sicht von Römern beschrieben haben.

 

Die Schriftsteller haben die Germanen so dargestellt, wie sie ihnen erschienen, and vor allem in dem, was ihnen an jenen besonders auffiel. Wie diese wirklich waren, konnten sie wohl kaum erfahren und nachempfinden. Immerhin gelang es ihnen oftmals, das Typische nicht nur an Äußerlichkeiten, sondern auch in vielen Wesenszügen bemerkenswert treffend zu schildern.

 

Was sie als echte germanische Volkseigenschaften bezeichnen, sind eher Untugenden: So sprechen mehrere von einer großen Zwiespältigkeit und Widersprüchlichkeit ihres Charakters sowie von “Starrsinn” an falscher Stelle, den sie “Treue” nennen. Ihre Gesinnung und Gesittung ist ebenso rauh und hart wie ihr Klima und ihre Umwelt; diese sei wohl auch der Grund für ihre ständige Unrast und Abenteuerlust, für ihre Beutesucht und ihr Fernweh. Außerdem seien sie besessen von einer ungebärdigen Wildheit, ja Unbeherrschtheit, und von einem ebenso ungebändigten wie leidenschaftlichen Freiheitsdrang.

 

Lobend bescheinigt wird ihnen: handwerkliche Kunstfertigkeit und Gastlichkeit, großer Mut und Tapferkeit ihrer Krieger sowie allgemeines Treueverhalten und Verläßlichkeit.

 

Die Frage des Wann? läßt berechtigte Zweifel aufkommen, inwieweit die Berichte, die ein mehr als ein Jahrhundert zurückliegendes Ereignis behandeln, in allem der Wahrheit entsprechen; denn die Autoren waren – wollten sie vor der unbestechlichen Geschichte bestehen – nicht nur auf Aktenmaterial und Dokumente, sondern auch auf Berichte von Zeitzeugen angewiesen, also auf Unterlagen, die schon damals widersprüchlich, nicht immer zutreffend und häufig lückenhaft waren.

 

Bei der Betrachtung des Wie? zeigt es sich, daß die Berichterstatter, die ja zumeist abhängige Staatsdiener waren, ganz offensichtlich auf die jemals vorherrschende politische Richtung oder die Volksstimmung Rücksicht nehmen mußten. In ihren Kommentaren sahen sie sich verpflichtet, harte und unangenehme Tatsachen etwas abzumildern und zu schönen, und viele Ereignisse haben sie sehr einseitig dargestellt oder ganz totgeschwiegen. Das ist der Berichterstattung unserer heutigen Medien allerdings auch nicht ganz fremd.

 

Manches, was dem Interesse der Staatsräson entgegenlief oder römischen Ruf und Ruhm geschädigt hätte, konnte somit nicht objektiv dargestellt werden – das hätte für den Schreiber unter Umständen auch sehr gefährlich werden können. So durften tatsächliche Erfolge des Gegners nicht zu wahrheitsgetreu herausgestellt werden. Selbst TACITUS schwächt beispielsweise einen klaren Vorteil der Germanen gern mit einem “Unentschieden” ab. Für eigenes Verschulden oder Versagen mußte ein “Sündenbock” – wie zum Beispiel VARUS – herhalten, oder es wurden Naturkatastrophen, die Götter und unglückliche Zufälle mit verantwortlich gemacht.

 

Von einem völligen Abweichen von der historischen Wahrheit kann jedoch nicht die Rede sein. Die wichtigsten der uns überlieferten Berichte stützen sich auf die sehr genau geführten Unterlagen in den staatlichen Geheimarchiven Roms und zeigen sich hinsichtlich der Daten der Geschehnisse wohlunterrichtet. An der Sachlichkeit der Aufzeichnung bestehen wenig Zweifel, wenn auch Irrtümer und Mißverständnisse nicht auszuschließen sind. So liefern sie, läßt man die Tatsachen für sich selbst sprechen, ein insgesamt zutreffendes Bild damaliger Wirklichkeit.

 

CORNELIUS TACITUS

 

Kein römischer Schriftsteller oder Historiker hat so viel Bemerkenswertes und erstaunlich Anerkennendes über Germanien und die Germanen geschrieben wie Cornelius TACITUS. Obwohl er durch sein Werk unsterblich wurde, ist über sein Leben nicht allzu viel bekannt.

 

Geboren wird er um das Jahr 55. Aus einem hochangesehenen, alten Adelsgeschlecht stammend, erfährt er die übliche wissenschaftliche Ausbildung in Rhetorik und Philosophie, durchläuft dann die gehobene Laufbahn römischer Aristokraten, Quästor, Tribun, Prätor, und nimmt schließlich im Jahr 97 als Konsul das höchste römische Staatsamt ein. Sein vermutlicher Tod liegt um das Jahr 120.

 

Als Schriftsteller und Autor von Geschichtswerken tritt er erst um das Jahr 96 und damit relativ spät in Erscheinung. Zunächst verfaßt er die Annalen (“ab excessu divi Augusti”), in denen er unter anderem über die Eroberungskriege des GERMANICUS und damit auch über ARMINIUS, den Cherusker, als dessen erbitterten Gegenspieler sowie über MARBOD, den Markomannenkönig, ausführlich berichtet.

 

Im Jahr 98 bringt er eine Schrift – eigentlich mehr eine 46 Kapitel umfassende Studie – namens Germania (“ De origine, situ, moribus ac populis Germanorum”) heraus. Sie ist für die allgemeine Germanenforschung, für die Kulturgeschichte der Germanen und für uns Deutsche speziell die bedeutendste Geschichtsquelle dieser Zeit und deshalb von unschätzbarem Wert – “das Beste, was ein Römer an ethnographischer Kunstdarstellung leisten konnte” (BICKEL).

 

Ohne diese beiden Werke wüßten wir Deutsche herzlich wenig über unsere frühen Vorfahren und jene hochdramatischen Ereignisse, die sich vor fast 2,000 Jahren in unserer Heimat zwischen Römern und Germanen zugestragen haben.

 

Ob TACITUS sich jemals in Germanien aufgehalten hat, ist ungewiß – er erwähnt es nirgends. Jedoch könnte er dort nach seiner Prätur ein militärisches Amt bekleidet haben, denn sein erstaunlich umfassendes Wissen über Land und Leute dieser fernen nordischen Region und seine sehr genauen Kenntnisse vom Kriegswesen kann er sonst nur durch besonders sorgfältige und umfangreiche Studien und Recherchen gewonnen haben.

 

Er war nicht nur in den römischen Staatsarchiven zu Hause, die er nach amtlichen Berichten jener Zeit durchforschte, er muß auch landeskundige Legionärsveteranen, Offiziere, Gesandte, Kaufleute, Schiffskapitäne und vor allem germanische Geiseln und Kriegsgefangene sehr gründlich befragt haben, sonst hätte er nicht derartig viele, um Jahrzehnte zurückliegende historische Begebenheiten in Erfahrung bringen können. Er muß Einblick in die Kartenwerke der antiken Geographen und des römischen Generalstabes gehabt haben, denn er verwendet deutliche Bezeichnungen für die germanischen Flüsse, Gebirge, Straßen, Küsten, Inseln, Waldgebiete und Ansiedlungen. Präzise geographische Rückschlüsse auf deren genaue Lage lassen sich allerdings nicht immer ziehen.

 

Von ihm wird erstmals der “Teutoburgensis saltus” erwähnt, jenes mysteriöse Waldgebirge, von dem man immer noch nicht weiß, ob es mit dem Teutoburger Wald von heute identisch ist. Der von ihm vielleicht von PLINIUS übernommene, nach dem germanischen Namen “Teutoburg” (Volksburg?) geprägte Begriff ist umstritten. Unter “saltus” (Waldgebirge) könnte auch das Eggegebirge und dessen Ausläufer – bis zum 18. Jahrhundert “Osning” genannt – verstanden werden. Sollte es sich jedoch hierbei um die sogenannte “Gotenburg”, jene mächtige Bergfestung auf dem “Teut” bei “Theomalli”/Detmold handeln, bestünde die heutige Bezeichnung wohl zu Recht. Unbestritten ist aber, daß es im Gebiet zwischen dem Land der Marser und Cherusker und zwischen dem Land der Brukterer und Cherusker zu suchen ist.

 

Auch scheinbare Nebensächlichkeiten sind ihm wichtig. Dabei versteht er es, Bilder von geradezu dramatischer Wucht zu entwerfen. Immer ist er spannungsvoll und farbig, ohne dabei je den Blick für das Wesentliche zu verlieren oder ins Anekdotische zu verfallen.

 

Das Besondere des Stils seiner Berichterstattung liegt in der Schilderung des Menschlichen. Er besitzt die schriftstellerische Gabe, Personen so lebensnah zu schildern, als hätte er sie persönlich gekannt und sei selbst Zeuge der Begebenheit gewesen. In psychologisch genauen Schilderungen trifft er meisterhaft das Charakteristische seiner Figuren.

 

In der Germania geht es ihm vor allem darum, seinen Landsleuten neben der Schilderung von Geographie, Sitten und Gebräuchen, Siedlung, Kleidung, Religion, Rechtspflege, Kriegswesen und Gewerbe die Mentalität der germanischen Menschen verständlich zu machen; ja “Volk” nahezubringen und zu rehabilitieren.

 

Es war TACITUS, der das klassische Germanenbild entwarf, das er aus eigener Anschauung kannte: “Blaue Augen und rotblondes Haar, ein mächtiger Körperbau, der seine besondere Kraft im Angriff zeigt, aber zu schwerer, ausdauernder Arbeit wenig taugt. Eine geringe Fähigkeit, Hitze und Durst zu ertragen, obwohl Klima und Boden sie an Kälte und Hunger gewöhnt haben.”

 

Bewundert wird von ihm die “hochgewachsene Gestalt beider Geschlechter , der große Mut der Männer und die blonde Schönheit der Frauen.”

 

Er sieht in ihnen noch “rassisch unvermischte, bodenständige Ureinwohner” und meint als Römer: “Wer hätte schon – ganz abgesehen von der gefährlichen Fahrt – nach Germanien ziehen wollen, diesem reizlosen Land mit seinem rauhen Klima?… Für jeden, dem es nicht gerade Heimat bedeutet, ist es nicht nur traurig zu erleben, sondern auch traurig zu betrachten… Silber und Gold haben ihnen die Götter versagt – sollte man sagen: aus Gnade oder im Zorn?”

 

Doch gerade diesem fremden Volk spendet er ein allerhöchstes Lob, wenn er auf die sittliche Unverdorbenheit dieser gesunden und noch nicht verweichlichten Naturmenschen zu sprechen kommt. Dies geschieht freilich nicht ohne eine bestimmte Absicht; denn TACITUS weiß um die mögliche große Gefahr, die von diesem kraftstrotzenden und kinderreichen jungen Volk für das mit zahlreichen sittlichen und sozialen Problemen und Verfallserscheinungen behafteten Imperium ausgeht. Und mit einem Seitenhieb auf die Überheblichkeit Roms vermerkt er: “Über die Germanen wurde bisher mehr triumphiert als gesiegt!”

 

Anschaulich und eindringlich schildert er seinen Zeitgenossen die großen Vorzüge dieser “Barbaren”, ihre Sitten und Rassereinheit, ihre gesunde Lebensweise, ihre hohe Geburtenrate, ihre vernünftige Kindererziehung, ihre redliche Dank- und Handlungsweise. Er lobt ihre Naturverbundenheit, Wahrhaftigkeit und ihren unbändigen Freiheitsdrang. Als besonders vorbildlich stellt er die Verehrung und Achtung dar, die die Frau bei den Germanen genießt, sowie die hohe Auffassung ihrer Ehe und Keuschheit. “Dort lacht niemand über Laster; verführen und sich verführen lassen, heißt dort nicht dem Zeitgeist huldigen, und ihre hohen sittlichen Anschauungen wirken bei ihnen stärker als anderswo Gesetze.” (1)

 

(1) Die Ehe galt den Germanen als heilig. Zur Hochzeit bringt der Mann, nicht die Frau, als Mitgift ein Ochsengespann und ein gezäumtes Pferd, ferner Schild, Frame, Schwert. Auf diese Gaben hin erhält der Bräutigam die Braut. Als Gegengeschenk übergibt die junge Frau ebenfalls ein Waffenstück. Damit zeigt sie, daß sie als treueste Gefährtin in Not und Gefahr – in Krieg und Frieden das gleiche Schicksal zu tragen hat wie ihr Gatte. In solchem Bewußtsein sollten beide leben – so auch in den Tod gehen. (TACITUS, Germania 8)

 

Aber bei allem Lob verschweigt er auch nicht die Untugenden: “Zech- und Freßgelage, Streitsucht und Schlägereien bis zum Totschlag, Spielleidenschaft und Trunksucht…Durch ihre Unbeherrschtheit im Trinken könnte man dieses Volk leichter zugrunde richten als durch Kriege.” (TACITUS, Germania 23)

 

Das allgemein germanische Grundübel, die Zwietracht, hat TACITUS schon damals als ihre schädlichste Wesensart erkannt. Er weiß um ihren fatalen Hang zur “Selbstzerfleischung” und wünscht im Interesse Roms, “daß ihr gegenseitiger Haß noch lange erhalten bleiben möge…Wenn das Schicksal einmal über uns hereinbricht, so kann uns kein größeres Glück zuteil werden, als die Zwietracht unserer Feinde”. (TACITUS, Germania 33)

 

Auch wenn das auf das römische Gemüt beruhigend gewirkt haben mag, diese Schrift war eine Herausforderung und Warnung zugleich.

 

Schon als die Germania und die Annalen herauskamen, stellten sie außerordentlich wichtige Werke dar, die vor allem für die gebildeten Schichten der römischen Gesellschaft von höchstem Interesse gewesen sein werden.’’

 

Da die Annalen erst mit dem Jahr 14, dem ersten Jahr der GERMANICUS-Kriege, beginnen, streift TACITUS die VARUS-Schlacht nur; dafür behandelt er die Persönlichkeit des Arminius während der drei Kriegsjahre 14 bis 16 um so eingehender.

 

Der heutige deutsche Leser, der zur Germania und den Annalen greift, wird bei dieser Lektüre manches finden, was ihm auch noch nach so langer Zeit durchaus vertraut vorkommt. Zwar sind die Deutschen längst keine Germanen mehr – die mit der Romatik im 19. Jahrhundert aufgekommenen Gleichsetzung vereinfacht zu sehr und ist so nicht richtig -, jedoch sind sowohl positive wie negative Wesensmerkmale typisch germanischer Eigenart in ihrem innersten Wesen spurenhaft noch vorhanden, erkennbar und wirksam.

 

TACITUS ist ein Künstler, der trockene geschichtliche Vorgänge publikumswirksam zu gestalten vermag, ohne etwas sensationell aufzubauschen. Sein Stil ist noch heute, nach 2,000 Jahren, faszinierend klar, seine Schilderung farbig und originell. Er ist der individuellste und neutralste römische Berichterstatter. “Sine ira et studio” – “Ohne Zorn und Parteilichkeit”will ich schreiben! Dies ist sein Bekenntnis zu Wahrheit und Objektivität, der vornehmsten Pflicht eines verantwortungsbewußten Historikers. Daß er sich an diesen Vorsatz hielt, wurde durch die moderne Spatenforschung, andere antike Schriftsteller und überlieferte bildliche Darstellungen römischer Kunst weitgehend bestätigt.

 

Aus der Sicht des TACITUS ist ARMINIUS nicht irgendein Rebell, schon gar nicht ein treuloser Abtrünniger, sondern ein ernstzunehmender Gegner, der seine Chancen wahrgenommen hat und von dem eine große und dauernde Wirkung ausgeht. Für ihn ist die Unabhängigkeit Germaniens das Ziel, und sein Werk die Freiheit seines Volkes. Sie ist nicht ein Verdienst des Zufalls oder des allzu fahrlässigen VARUS, sondern seine ureigene, ganz große Leistung. TACITUS stellt ARMINIUS im Kampf gegen Roms Armeen als militärischen Führer, als Feldherrn und “Befreier seines Volkes” dar. Die Bezeichnung “Liberator Germaniae” ist das schönste und höchste Lob, das ARMINIUS zuteil wird. Es ist ein Ehrentitel, neidlos und uneingeschränkt von einem Römer verliehen, der weiter und schärfer vorausschauen und urteilen konnte, als ARMINs neidvolle und kurzsichtige Landsleute, die ihn mit ihrem Haß verfolgten und schließlich vernichteten.

 

“Er war zweifellos der Befreier Germaniens”, urteilt er, “und zwar ein Mann, der das römische Volk nicht, wie andere Könige und Heerführer es taten, in seinen ersten Anfängen, sondern auf der Höhe seiner Macht anzugreifen wagte. War er auch in der einzelnen Schlacht nicht immer erfolgreich, so hat er doch nie einen Krieg verloren. Er brachte es auf siebenunddreißig Jahre, davon stand er zwölf (vom Jahr 9 bis zum Jahr 21) an der Spitze seines Volkes; noch heute lebt sein Andenken in Liedern der Barbarenvölker fort.

 

Den griechischen Geschichtsschreibern, die nur immer bewundern, was ihr eigenes Volk betrifft, ist er unbekannt. Und auch bei uns Römern wird er nie so beachtet, wie er es verdiente, denn wir verherrlichen nur die alten Zeiten und stehen den neueren Ereignissen gleichgültig gegenüber.” (Annales, 11/88)

 

Für Rom mag ARMINIUS der abtrünnige Verräter sein – für TACITUS ist der Cherusker eine der markantesten Persönlichkeiten von weit in die Zukunft weisender Bedeutung, ja einer der ganz großen Beweger der Weltgeschichte. Damit bewies TACITUS einen ungewöhnlichen politischen Weitblick. Das freie Germanien blieb frei und unterwarf sich niemals der Herrschaft Roms.

 

VELLEIUS PATERCULUS

 

Gaius VELLEIUS PATERCULUS stammte aus Campanien und diente neun Jahre als Unterführer (Präfekt der Reiterei und Legat) im Stab des Tiberius, dessen Feldzüge in Armenien, Tirol, Vindelizien, Pannonien, Illyrien und Germanien er mitgemacht und als sein “Kriegsberichterstatter” aufgezeichnet hat.

 

Für die früheste deutsche Geschichte ist sein schriftstellerisches Werk von höchstem Wert, da in ihm die großen Schicksalsgestalten ARMINIUS und MARBOD sehr lebensnah geschildert sind.

 

VELLEIUS gilt als mutmaßlicher Kriegskamerad des ARMINIUS – zumindestens muß er ihn persönlich gekannt haben -, denn von ihm stammt die einzige und, wie es scheint, genau beobachtete äußere Beschreibung und Charakterisierung des Cheruskers.

 

“Ein Jüngling namens ARMINIUS, von edlem Geschlecht, tapferer Hand, schnellem Sinn, gewandt im Geist, mehr als es sonst Barbaren sind, Sohn des SIGIMER, des Fürsten des Stammes der Cherusker, ein Jüngling, aus dessen Antlitz und Augen geistiges Feuer leuchtete, der unser ständiger Begleiter auf allen früheren Feldzügen gewesen war und neben dem römischen Bürgerrecht den Rang eines römischen Ritters innehatte.” Die Würde des römischen Ritterstandes war eine der höchsten Auszeichnungen des Imperiums, insbesondere für einen Germanen. Höhere Offiziersstellen konnten nur Ritter oder Senatoren bekleiden. Zweifellos hätte dem ritterlichen Offizier ARMINIUS eine glänzende Karriere im römischen Heer offengestanden.

 

Während TACITUS den TIBERIUS meist recht negativ schildert, ist VELLEIUS PATERCULUS ein leidenschaftlicher Verehrer des Kaisers. Von dessen Kriegszügen in Germanien berichtet er begeistert:

 

“Ihre [der Germanen] gesamte junge Mannschaft, unermeßlich an Zahl, riesenhaft an Gestalt, sicher vor Gefahr durch die Lage ihrer Wohnsitze, beugte sich vor dem Tribunal des Imperators und übergab ihm ihre Waffen samt ihren Anführern, rings umgeben von der Schar unserer Soldaten in hellem Waffenglanz…Unterworfen wurden auch die Cherusker – o hätte dieses Volk doch nicht....aus unserer Niederlage so hohen Ruhm geerntet.”

 

Seine Erlebnisse hat VELLEIUS in seinem Hauptwerk Historiarum libri duo ad vinicium consulem aufgezeichnet, das allerdings nur eine recht allgemein gehaltene Darstellung der VARUS-Schlacht (Lib.II/119-121) enthält, an der er ganz bestimmt nicht teilgenommen hat. Er muß bis zur Beendigung des Balkankrieges an der Seite des TIBERIUS geblieben sein.

 

Viel Gewicht legt er auf die Beschreibung der Charaktereigenschaften seiner Personen. Quinctilius VARUS wird von ihm besonders scharf kritisiert. Für ihn ist er der Alleinschuldige an der Katastrophe im Jahr 9, während Schlagkraft und Tüchtigkeit der römischen Armee über jeden Tadel erhaben bleiben:

 

“Das tapferste aller Heere, das an Manneszucht, Stärke und Kriegserfahrung die erste Stelle innerhalb der römischen Streitmacht einnahm, wurde durch die Schwäche des Anführers, die Treulosigkeit der Feinde, die Ungunst des Schicksals in den Untergang geführt…Von Wäldern, Sümpfen, Hinterhalten umschlossen, wurden sie von eben dem Feind bis zur völligen Vernichtung hingeschlachtet, den sie sonst wie das Vieh abgeschlachtet hatten´´.”

 

DIO CASSIUS

 

Als ein sehr wichtiger Berichterstatter für die Darstellung der ARMINIUS-Zeit ist DIO CASSIUS zu nennen.

 

Er ist im 155 in Bitynien, einer griechischen Kolonie am Südrand des Schwarzen Meeres, geboren worden und entstammt einer alten, römischen Patrizierfamilie. DIO war griechisch gebildet und bekleidete vom Senator bis zum Konsul sämtliche hohen Staatsämter.

 

In seinem Alter beschäftigte er sich mit historischen Arbeiten. Als Autor von insgesamt achtzig Büchern beschreibt er im Buch 56 als einziger antiker Schriftsteller den gesamten Ablauf der VARUS-Schlacht.

 

Er liefert uns hier einen glaubhaften, sehr realistischen und darüber hinaus höchst anschaulichen Bericht mit vielen Details, ohne den wir nur sehr wenig über den Hergang der Clades Variana wüßten.

 

Da er 200 Jahre später darüber schreibt, kann er sich nur durch eingehendes Studium des damals noch vorhandenen Quellenmaterials, wie es etwa in schriftlichen Nachlässen von Teilnehmern der Kämpfe vorlag, und umfangreiche Recherchen in römischen Staatsarchiven sachkundig gemacht haben.

 

Leider macht auch er keine präzisen Ortsangaben, aus denen man eindeutige Rückschlüsse auf den Schauplatz der Schlacht ziehen könnte; lediglich die Nähe zur Weser wird wie bei TACITUS in seinem Bericht angesprochen.

 

DIOs objektiv gehaltener Bericht ist stellenweise nicht frei von novellistischen Zügen und apologetischen Elementen. Das kann jedoch angesichts des hohen historischen Stellenwertes dieser Hauptquelle zur VARUS-Schlacht hingenommen werden.

 

Seine Lagebeurteilung der Stimmung im Lande, als VARUS den Oberbefehl in Germanien übernahm, scheint die Situation recht treffend wiederzugeben. Dieses nordwestliche Gebiet – das Cheruskerland eingeschlossen – war keineswegs “Freundesland”, wie es in römischen Augen wohl geschienen haben mag – im Gegenteil, es mußte mit einer allgemeinen Feindseligkeit gerechnet werden, die VARUS offenbar nicht wahrhaben wollte.

 

STRABON

 

STRABON, ein griechischer Geograph, lebte um die Jahre – 63 bis 20 und stammt aus Pontus. Nach mehreren Reisen durch das römische Weltreich verfaßte er in griechischer Sprache eine der ersten Erdbeschreibungen, die 17 Bände umfaßt.

 

Durch ihn erfahren wir – allerdings aus zweiter Hand (1) – auch einige interessante Informationen über Germanien und die Lebensumstände seiner Bewohner zur Zeit des ARMINIUS, wenn auch seine Darstellung ganz aus römischer Sicht erfolgt.

 

So berichtet er, was einem Südländer an diesem “reizlosen Land” besonders auffällig erscheint: Dort bestimmten zwei Drittel des Jahres Kälte und Frost, so daß wegen der langen Winter feste Häuser aus Holz und Lehm, wärmende Pelze und wollene Kleidung nötig seien, und man zähle sogar das Lebensalter nach Wintern! Nahrungsmittel seien häufig ärmlich und knapp, denn die Ackerböden wären ausgemergelt, und der Ertrag sei nur spärlich. Daher ernähre man sich dort sogar von Unkräutern, Wildfrüchten und Wurzeln (bestätigt durch Obduktion von Moorleichen)! Oft verderbe die Getreideernte durch den vielen Regen, eine Ursache für manche Hungersnot. Ständig müßten die Menschen des Nordens einen harten und erbehrungsreichen Kampf ums Überleben führen. Man darf aus seinem Bericht schließen, daß die allgemeine Lebenserwartung der meistenteils so kraftvoll geschilderten Germanen keineswegs hoch gewesen ist.

 

Auf die VARUS-Schlacht gibt es von ihm nur einen kurzen Hinweis. Vielleicht setzte er ihre Kenntnis allgemein voraus, möglicherweise war es ihm wenig daran gelegen, diese von Rom nie offiziell zugegebene große Niederlage im einzelnen zu schildern.

 

STRABON nimmt eindeutig für Rom Partei. Für ihn ist ARMINIUS der verachtungswürdige Vertragsbrecher und hinterhältige Vernichter der VARUS-Legionen.

 

Von ihm stammt die sehr eingehende Beschreibung des glanzvollen Triumphzuges des GERMANICUS im Jahre 17, wobei er stolz alle gefangenen Adligen, Fürsten, deren Frauen und Töchter, germanischen Priester und anderen hochgestellten Personen der besiegten Völkerschaften aufzählt, die zu diesem schmachvollen Spektakel in Ketten durch Roms Straßen geschleppt wurden.

 

SUETONIUS

 

Gaius SUETONIUS Tranquillus lebte etwa von 75 bis 150 und stammte aus dem römischen Ritterstand. Zur Zeit HADRIANS leitete er dessen Kanzlei.

 

Nach seiner Amtszeit brachte er als sein Hauptwerk eine umfangreiche Biographie über die römischen Cäsaren heraus: De vita Caesarum.

 

Ihm verdanken wir unter anderem den Bericht, wie AUGUSTUS auf die varianische Niederlage und die vermeintliche Germanengefahr reagierte.

 

STRABON stützt sich auf Beschreibungen seines Landesmannes PYTHEAS, eines Entdeckungreisenden, der – 325 von Massilia (Marseille) nach England und ins “Bernsteinland” der deutschen Küste reiste. Seine Schriften brachten lange vor TACITUS die ersten Nachrichten über die Germanen.

 

Zu Kaiser TIBERIUS bringt er wichtige biographische Einzelheiten und ein reiches Tatsachenmaterial, das uns ein genaues Bild von dessen großen militärischen Leistungen , aber auch von seinen charakterlosen Fehlern, Lastern und seinem Hang zu perversen Grausamkeiten überliefert. Die Fülle von historischen Dokumenten und Unterlagen macht es schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

 

Seine Darstellungsweise ist genau und gewissenhaft, dabei mischt er den Stoff gern mit unterhaltsamen Anekdoten.

 

FLORUS

 

Lucius Annaeus FLORUS, gleichfalls ein Zeitgenosse Kaiser HADRIANs, berichtet mehr als hundert Jahre später über die Niederlage des VARUS. Er beschreibt recht einfühlsam die feindselige Haltung der germanischen Bevölkerung als Reaktion auf die Unterwerfungsversuche des DRUSUS und die “Willkür und Grausamkeiten des Quinctilius VARUS”.

 

Der Feldherr Varus erfährt durch ihn eine vernichtende Beurteilung. Ihm ganz allein weist er alle Schuld an der Niederlage zu.

 

Mit dieser schonungslosen Kritik versucht er, das römische Heer vom Vorwurf des militärischen Versagens zu befreien. Gleichzeitig entwertet er damit aber auch die Leistung des ARMINIUS, der nur infolge der unbegreiflichen Sorglosigkeit und Unfähigkeit des Römers seine große Chance haben wahrnehmen können.

 

Seine Darstellung des Herganges der Schlacht weicht stellenweise sehr stark von DIOs Bericht ab; nach ihm hätte ARMINIUS den VARUS schon in dessen Sommerlager an der Weser angegriffen, was allerdings höchst unwahrscheinlich ist – ein Überfall auf ein befestigtes Dreilegionen-Lager hätte unweigerlich zu einer verheerenden Niederlage der Germanen geführt.

 

Die Schilderung sowohl der Vorgeschichte der Schlacht als auch des Verlaufes der Kämpfe in dem Wald- und Sumpfgebiet decken sich bis zum Ende wieder mit dem Bericht des DIO CASSIUS.

 

Sein Stil ist manchmal etwas allzu sensationell und ausgeschmückt und der Bericht stellenweise nicht frei von ausgeprägter Tendenz.

 

Von ihm stammt der bemerkenswerte Satz: “Das Reich, das vor dem Ozean nicht haltmachte, ist am Rheinstrom zum Stehen gekommen.”

 

Quellen

 

Cornelius TACITUS, Annales

Cornelius TACITUS, Germania

Velleius PATERCULUS, Historia Romana

DIO CASSIUS, Clades Variana/Lib.VII

STRABON, Geographica/Lib VII

Gajus Tranquillus SUETONIUS, De Vita Caesarum

Lucius Annaeus FLORUS, Epitome Rerum Romanorum

Gaius Julius CAESAR, De Bello Gallico

 

Bildquellen

 

Alle Bilder Ernst-A. SCHOMER – außer

Römische Kunst, Köln 1999 – S. 164, 329

Wahrzeichen und Denkmäler in Deutschland, München 1992 – S. 318

Römer zwischen Alpen und Nordmeer, Mainz 2000 – S. 13, 15, 118, 281, 323